Es war zweifellos rasant zugegangen, im September vor eineinhalb Jahren, als der mobile Blechpolizist bei Sargans eine gefährliche Tempoüberschreitung dokumentierte.
Laut Staatsanwaltschaft, sass eine 19-jährige am Lenkrad von Daddys hoch motorisiertem Land Rover und düste auf das Autobahndreieck Sarganserland zu, nachts um halb vier Uhr. Sie wurde mit satten 215 Stundenkilometern geblitzt. Die Kriterien eines Raserdelikts waren problemlos erfüllt, lag das Tempo doch deutlich über den dafür erforderlichen 200 Stundenkilometern.
Erhebliche Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer
Gemäss der Anklage nahm die Lenkerin mit ihrer Fahrt eine erhebliche Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer in Kauf. Dies, weil jene niemals mit einem derart schnellen Fahrzeug hätten rechnen können und folglich zu überraschenden Ausweich- oder Bremsmanövern mit schwerwiegenden Folgen gezwungen worden wären.
Sie habe damit, knapp vor ihrem 20. Geburtstag, ein hohes Risiko von Schwerverletzten oder Toten bewusst in Kauf genommen. Die Anklage forderte dafür 14 Monate Haft, bedingt auf zwei Jahre.
Wer wars denn nun?
Die Verdächtige war zwar rasch ermittelt worden. Der Verdacht war wegen der Ähnlichkeit mit dem Foto in ihrem Führerausweis früh auf sie gefallen. Allein, die Frau schwieg mannhaft zu den Vorwürfen, erst bei der Polizei, dann bei der Staatsanwaltschaft und schliesslich auch jetzt vor dem Kreisgericht Werdenberg-Sarganserland.
Das Kreisgericht Werdenberg-Sarganserland (Bildmitte) in Mels.
Bild: Gian Ehrenzeller/Keystone
Stattdessen reichte ihr Verteidiger an Schranken ein Foto ihrer Schwester ein, diese ist kaum ein Jahr älter, ihr zum Verwechseln ähnlich.
Das entscheidende Beweismittel, das Radarbild der Fahrerin, war tatsächlich etwas unscharf geraten. Es war zwar eigens in der Abteilung Forensik der Zürcher Staatsanwaltschaft wissenschaftlich untersucht worden. Zu einer eindeutigen Identifikation reichte es jedoch nicht aus. So blieb unklar, welche Schwester tatsächlich am Steuer gesessen hatte.
Die Mutter wars jedenfalls nicht
Der Vater und zugleich Halter des Wagens hatte vorab bekundet, dass nur er selbst und drei Frauen Zugang zum als «Baby Rover» bekannten Vehikel hätten, seine Gattin und eben die beiden Töchter.
Die Gattin schied aufgrund optischer Differenzen zum Radarbild zwar aus, nicht aber die beiden Töchter. Eine von beiden musste es also gewesen sein. Doch welche den Rover tatsächlich gelenkt hatte, liess sich mit dem Foto schlicht nicht beweisen.
Die Beschuldigte hätte zwar mit einem einzigen Satz Klarheit schaffen können. Das mochte sie aber nicht. Dies ist einerseits ihr gutes Recht, schliesslich muss sich niemand vor Gericht selbst belasten.
Andererseits ritzte das Schweigen am Gerechtigkeitsempfinden, weil die Täterin somit nicht ermitteln werden konnte, um für ihr gefährliches Delikt geradezustehen.
Fahren ohne Ausweis
Somit musste das Gericht – in dubio pro reo – einen Freispruch ausfällen, also im Zweifel für die Angeklagte. Denn seit römischen Zeiten gilt, dass in modernen Rechtsstaaten jemand nur dann verurteilt werden kann, wenn ihm persönlich eine Tat zweifelsfrei nachgewiesen werden kann. Das war hier aufgrund der Ähnlichkeit der Beschuldigten zur Schwester jedoch nicht möglich.
Wenig überzeugend wirkte in diesem Zusammenhang jedoch, dass die Freigesprochene ein halbes Jahr nach dem Raservorfall erneut mit Papas «Baby Rover» aufgefallen ist.
Diesmal war sie unterwegs, obschon ihr derweil der Führerausweis entzogen worden war. Dafür setzte es in der aktuellen Verhandlung eine bedingte Geldstrafe in Höhe von 90 Tagessätzen à 30 Franken. Ob sie oder die Schwester mit dem Wissen um die in der Hauptsache verschwiegene Straftat gut leben können, steht auf einem anderen Blatt.