Alain Schartner stellt aus unterschiedlichen Materialien filigrane «Chügelibahnen» her | W&O

23.12.2022

Alain Schartner stellt aus unterschiedlichen Materialien filigrane «Chügelibahnen» her

Der Aargauer Künstler stellt einige seiner Kunstwerke momentan in der Erlebniswelt Toggenburg in Lichtenseig aus.

Von Alec Nedic
aktualisiert am 28.02.2023
«Ich bin kein Perfektionist, meine Werke müssen mir einfach gefallen», bemerkt Alain Schartner, während er sich nach einem Kügelchen bückt, das aus einem der mannshohen kupferfarbenen Gebilde geschleudert wurde. Alain Schartner ist Künstler aus Wettingen (AG) und seine Kunst fand ihren Weg in die Erlebniswelt Toggenburg nach Lichtensteig. Erbastelt hauptberuflich Kugelbahnen.

Keine herkömmlichen «Chügelibahnen»

Die Werke haben jedoch wenig mit herkömmlichen «Chügelibahnen» zu tun. Wer vor den Kugelbahnen steht, hat grösste Mühe, den farbigen Murmeln mit dem Auge auf ihrer Reise quer durch das Labyrinth von Verstrebungen, schneckenhausförmig gewundenen Trichtern, Schanzen, Loopings und Kurven zu folgen. Der Künstler und leidenschaftliche Bastler stellt seine Kugelbahnen aus zusammengelöteten Kupferdrähten seit kurzem in der Erlebniswelt Toggenburg ein Jahr lang aus. Das Ausstellungsinventar reicht von kleinen, robusten Kugelbahnen bis hin zu übergrossen, filigran verzierten Drahtgebilden mit verschiedenen eingebundenen Bahnen und einer Konstruktionsdauer von rund vier Monaten.
 In unzähligen Kurven bahnen sich die Kugeln ihren Weg ins Ziel.
In unzähligen Kurven bahnen sich die Kugeln ihren Weg ins Ziel.

Das Hobby zum Beruf gemacht

Seine erste Kugelbahn baute Alain Schartner während seiner Schulzeit vor 45 Jahren. Er erinnert sich:
Mein Klassenlehrer wollte, dass wir eine ‹Chügelibahn› bauen. Da begann ich zu löten und war sofort begeistert.
Es sollte allerdings noch einige Jahrzehnte dauern, bis er vom Hobbybastler zum professionellen Kugelbahnbauer und Künstler wurde. «Ich hatte früh Familie und musste Geld verdienen», erzählt Schartner. Beruflich arbeitete er sein halbes Leben im Handwerk, das Kugelbahnbauen betrieb er in der Freizeit. Vor 13 Jahren dann der Umbruch. «Ich machte mich selbstständig und kann heute von meiner Kunst leben – ihren Charme haben die ‹Chügelibahnen› nie verloren.»

«Die Freude mit den Menschen teilen»

Auf die Frage, welchen Zweck er mit seinem Schaffen verfolgt, sagt der Künstler prompt:
Ich möchte Freude in den Menschen wecken.
Oft gelinge ihm dies während seiner Workshops in der Psychiatrie, im Kinderspital, oder auf Kindergeburtstagen. Dort zeigt er Bastelfreudigen, wie man Kupferdraht so weichlötet, dass daraus eine Bahn geformt werden kann. Die Kreativität aus anderen Leuten herauszukitzeln und mit ihnen zusammenzuarbeiten sei «total lässig», bekräftigt er.
 Wenn einmal eine Kugel herausspickt, analysiert der Künstler die Problemstelle und sucht nach Lösungen.
Wenn einmal eine Kugel herausspickt, analysiert der Künstler die Problemstelle und sucht nach Lösungen.

Arbeit mit viel Geduld

Alain Schartners Kugelbahnen sind einzigartige Kunstwerke. Keine gleicht der anderen. Das liegt nicht zuletzt an der Arbeitsweise des Künstlers. Den Bau jeder Bahn beginne er jeweils mit einem turmförmigen Trägerelement aus Draht in der Mitte der Kugelbahn, dann lasse er seiner Kreativität freien Lauf, bis sich die Bahn mit zig Kurven und Hindernissen von oben nach unten entlang des Turmelements windet. Eine Si­sy­phus­ar­beit, die Stunden oder gar mehrere Tage oder Wochen beansprucht.

Kunstwerke mit Charakter

Während Alain Schartner erzählt, springen immer wieder kleine und grössere Kugeln und Murmeln aus den vollautomatisch betriebenen Kugelbahnen. Das sei unumgänglich, erklärt der Künstler. Sollten seine Kugelbahnen einwandfrei laufen, müsste er andere Materialien vorziehen, die klobig und reizlos wirken würden.
Meine Kugelbahnen sind weder makellose Schweizer Uhrwerke noch endgültig fertiggestellte Kunstwerke. Sie haben ein Eigenleben und verhalten sich entsprechend.
Das ist auch der Grund, weshalb während der Aufbauarbeiten eine Videokamera und ein Bildschirm mitten im Ausstellungsraum installiert wurden. Mit der Kamera filmt Alain Schartner seine Kugelbahnen und wenn eine Kugel aus der Bahn «rausspickt», kann er – mit einer Portion Glück – herausfinden, welches der vielen tausend Drahtelemente eine Anpassung benötigt. Museumsleiter Andreas Hinterberger ist gespannt, ob die Sonderausstellung auf Anklang stösst, zeigt sich aber optimistisch: «Diese Kugelbahnen faszinieren Jung und Alt.»