Das E-Tribike verbessert die Lebensqualität von gehbeeinträchtigten Personen | W&O

08.03.2022

Das E-Tribike verbessert die Lebensqualität von gehbeeinträchtigten Personen

Vor vier Jahren ist die HCP Swiss GmbH als Start-up gestartet. Nun geht die Erfolgsgeschichte mit der neuen Fahrzeugtypisierung weiter.

Von Nadine Bantli
aktualisiert am 28.02.2023
Vor rund vier Jahren hat der Vilterser Marcel Kessler zusammen mit Marc Rheiner (Sevelen) und Urs Schwendener (Sevelen) die HCP Swiss GmbH (Human Cycling Performances) gegründet. Seither stellen sie elektrisch angetriebene Dreiräder her. In der Zwischenzeit ist das Personal der Firma um mehr als das Doppelte gewachsen und die dritte Serie ihrer E-Tribikes im Verkauf. In den letzten Jahren ist die Idee vom Fahrrad für den Transport von gehbeeinträchtigten Personen oder solchen, die auf einen Rollstuhl angewiesen sind, weiter ausgereift und perfektioniert worden.

«Noemi», «Leonie» und «Sabrina» transportieren Lasten problemlos

Die HCP Swiss verkauft drei verschiedene Modelle, alle benannt nach den Töchtern der Gründer. Das E-Tribike «Noemi» beispielsweise besitzt vorne eine Ladefläche. Mit dieser ermöglicht es Personen, die auf einen Rollstuhl angewiesen sind, sowie deren Betreuern, ihren Bewegungsradius zu erweitern. Das beliebteste, Rikscha-ähnliche Modell «Leonie», das insgesamt drei Sitzplätze – einer davon für den Fahrer – besitzt, verbessert auf vielfältige Weise die Lebensqualität von gehbeeinträchtigten Personen. Denn im Gegensatz zu anderen Transportmitteln geniesst man mit «Leonie» die frische Luft während der Fahrt. Zuletzt können mit «Sabrina» – dank der vorne angebrachten Laderampe, die übrigens massgefertigt werden kann – hohe Lasten ohne grossen Kraftaufwand transportiert werden. https://youtu.be/IKlxFL-SMBY

Zusätzlich zur Schweizer Zulassung wird die TÜV-Zulassung angestrebt

Gemeinsam haben alle drei E-Tri-bike-Modelle den praktikablen Rückwärtsgang und eine einfache Handhabung. Ausserdem sind sie mit den neusten Technologien unterwegs und bieten den Benutzenden im Verkehr ausreichend Sicherheit. Das bestätigt denn auch die kürzlich erworbene schweizerische Fahrzeug-Typengenehmigung (Strassenzulassung in der Schweiz). Diese benötigte die Firma HCP Swiss unter anderem, um der landesweiten Konkurrenz erfolgreich davonzufahren: Der Motor meistert mit seinen 1000 Watt Nennleistung nämlich locker Steigungen von bis zu 20 Prozent – das mit einem Gesamtgewicht von über 300 Kilogramm. Die Fahrzeugtypisierung ist jedoch ausschliesslich in der Schweiz anerkannt, weshalb die HCP Swiss auch die TÜV-Zulassung anstrebt – damit dürften ihre E-Tribikes in sämtlichen europäischen Ländern gefahren werden.

Bequem zu Hause Probe fahren

Die Gründer wollen in erster Linie baldmöglichst im deutschen und österreichischen Markt mitmischen, später soll in den Norden und dann nach ganz Europa expandiert werden. Aber Schritt für Schritt. In den letzten Jahren ist das Dreirad mit jeder Serie bezüglich Sicherheit und Ausstattung bereits kontinuierlich verbessert worden. Auffällig sind hierbei die moderne Beleuchtung sowie das «Sitzbänkli» des Modells «Leonie», auf dem es sich mittlerweile einiges komfortabler sitzen lässt. Bei den regelmässigen «Updates» hört das Unternehmen besonders auf die Rückmeldungen seiner Kundschaft. Neu gewonnene Freiheit: Der 96-jährige Abraham Schranz und die 101-jährige Margrith Thüler geniessen ihre Fahrt mit dem E-Tribike sichtlich. Bild: PD Viele dieser Kundinnen und Kunden finden sich in der Region – in Wangs, Walenstadt, Buchs, Sevelen oder Vaduz –, aber auch im Appenzellerland, in Bern und im Wallis. Verkauft werden die Dreiräder, die je nach Modell und Spezialausstattung zwischen 10'410 und 12'410 Franken kosten, vor allem an Institutionen wie Alters- und Pflegezentren. Wie Rheiner weiss, hätten einige von ihnen gar finanzielle Unterstützung bei der Anschaffung des Fahrzeugs erhalten.
Man kann das E-Tri-bike allerdings auch leasen, wenn man das möchte.
Und wer noch nicht überzeugt ist, hat die Möglichkeit zu einer Probefahrt. Bei der HCP Swiss in Sevelen stehen dafür Testfahrzeuge bereit, die auf Wunsch auch mit dem Bus zur potenziellen Kundschaft gefahren und dort getestet werden können. Das bringt gleich mehrere Vorteile, erklärt Rheiner:
Die ‹Piloten› werden bei der Probefahrt ausführlich instruiert und können das elektrische Dreirad anschliessend vor Ort in der ‹richtigen› Umgebung testen; und das gleich zusammen mit ihren zukünftigen Nutzerinnen und Nutzern.
Zudem werden auf Wunsch Fahrkurse angeboten.

E-Tribike: Ein Dreirad «Swiss made»

Sollte es dann trotzdem beispielsweise einmal zu einem Kettenriss kommen, ist die HCP Swiss auch Ansprechpartner für die Reparatur. Wenn immer möglich wird diese bei der Kundin oder beim Kunden vor Ort erledigt – falls nicht, wird das Dreirad abgeholt, in der hauseigenen Werkstatt repariert und danach wieder zurückgebracht. Seit einiger Zeit hat das Unternehmen nebst Büroräumlichkeiten auch eine Montagehalle mit genügend Lagerplätzen gemietet, in denen die Montage- und Servicearbeiten erledigt werden. Zusätzlich will es aber künftig wieder vermehrt mit regionalen Institutionen, wie der Arwole in Sargans, zusammenarbeiten und kleinere Reparaturen dort beheben lassen. Überhaupt schauen Kessler, Rheiner und Schwendener optimistisch in die Zukunft ihres einstigen Start-ups, obwohl auch sie Ende 2020 einen coronabedingten Einbruch erlebten. Kessler sagt:
Die Lieferverzögerungen haben uns so stark ausgebremst, dass wir den Entscheid gefällt haben, vermehrt auf Lieferanten aus der Schweiz zu setzen.
Das habe zwar die Kosten, die das Unternehmen übrigens auf seine Marge abwälzt, in die Höhe schiessen lassen – dafür darf sich das E-Tribike mit einer rund 80-prozentigen Wertschöpfung in der Schweiz nun aber definitiv als «Swiss made» bezeichnen.