Der Mann, der im Toggenburg in Hotels logierte, ohne zu zahlen, will kein Betrüger sein | W&O

02.06.2022

Der Mann, der im Toggenburg in Hotels logierte, ohne zu zahlen, will kein Betrüger sein

Ein Schweizer hatte in Hotels logiert, ohne zu zahlen. Vor Gericht wehrte er sich. Das Urteil steht noch aus.

Von Martin Knoepfel
aktualisiert am 28.02.2023
Der Kaufmann, ein Schweizer, sei meist gleich vorgegangen, schreibt die Staatsanwaltschaft. Er habe an zehn Orten von April bis Ende Oktober 2019 in Hotels übernachtet und Essen oder Getränke konsumiert, obwohl er weder Arbeit noch Wohnung oder Geld hatte. Statt zu zahlen, machte er sich meist heimlich aus dem Staub. Das Nachsehen hatten unter anderem je ein Hotel im Hinterthurgau und im Alttoggenburg. Der Mann checkte meist in kleinen Hotels spätabends ein, sodass er wenig Kontakt mit dem Personal hatte. Zudem gab er falsche Adressen an. Wenn ihn Hotelbesitzer wegen der Ausstände mahnten, hielt er sie hin, teilweise wochenlang. Im Juni 2020 verurteilte das Kreisgericht Toggenburg den Mann wegen gewerbsmässigen Betrugs und mehrfacher Zechprellerei zu 17 Monaten Gefängnis unbedingt und zu 300 Franken Busse.

Zeugen vertrauen den Gästen

Betrug setzt laut Strafgesetz Arglist voraus. Wer Waren oder Dienstleistungen bestellt und konsumiert, erweckt automatisch den Eindruck, dass er zahlen kann und will. Wer das fälschlicherweise vorspiegelt, handelt laut Bundesgericht arglistig. Das schreibt das Kreisgericht in der Urteilsbegründung. Auch die Zeit des Eincheckens und die falschen Adressen seien arglistig. Betrug entfällt, wenn das Opfer durch einfache Vorsichtsmassnahmen hätte merken können, dass es einem Lügengebäude aufgesessen ist. Der Verteidiger beantragte deshalb einen Freispruch vom Vorwurf des gewerbsmässigen Betrugs. Weiter anerkannte der Anwalt neben kleineren Delikten vier Fälle von Zechprellerei, darunter den Fall aus dem Toggenburg, nicht aber den aus dem Hinterthurgau. Die Freiheitsstrafe sollte höchstens fünf Monate dauern, die der Kaufmann schon abgesessen hat. Der Staatsanwalt will am Urteil der ersten Instanz festhalten. Das Kantonsgericht befragte am Dienstag Vertreter mehrerer Hotels. Sie sagten unter anderem, dass es nicht üblich sei, Kreditkartennummern oder Vorauszahlungen für gebuchte Zimmer zu verlangen. Mehrmals hiess es, auf dem Land vertraue man den Gästen. Er sei enttäuscht, sagte ein Wirt, bei dem der Kaufmann, ohne zu zahlen, fast einen Monat logiert hatte. Der Gast habe gesagt, er sehe als Folge einer Augenoperation schlecht, weshalb man das Essen aufs Zimmer gebracht habe. Er selber habe gute Gespräche mit dem Kaufmann geführt.

Verteidiger will Freispruch vom Betrugsvorwurf

Aus den Aussagen der Zeugen gehe hervor, dass die Hotelmitarbeitenden Sicherheitsleistungen nicht durchgesetzt hätten. Der Vorwurf des Betrugs lasse sich deshalb nicht aufrechterhalten, sagte der Verteidiger. Er hält an seinem Strafantrag aus der ersten Instanz fest. Die Situation seines Mandanten habe sich nun stabilisiert. Dieser habe einen festen Wohnsitz und eine Arbeit. Es sei nicht sinnvoll, seinen Mandanten nochmals ins Gefängnis zu schicken, findet der Verteidiger. Der Staatsanwalt hielt dagegen. Der Schweizer könne durchaus reden, wenn er wolle. Den Mitarbeitern der Hotels habe er Geschichten erzählt, um Mitleid zu erregen. Der Schweizer habe den Umstand ausgenützt, dass kleine Hotels Gastfreundschaft und Herzlichkeit in den Vordergrund stellten. Im Fall eines katholischen Bildungszentrums habe er von der idealistischen Einstellung der Ordensschwestern profitiert. Während der Befragung der Zeugen sass der Schweizer fast regungslos und mit gesenktem Kopf da, sodass man aus den Sitzreihen nur die Schultern und den Nacken sah. Fragen an ihn wollte der Mann nicht beantworten. Im Schlusswort sagte er, er bereue, was passiert sei. Seine Tochter benötige ihn heute mehr denn je. Das Urteil folgt später in schriftlicher Form.