Die Wiler Lokremise wurde am Freitagabend zum Tor in eine andere Welt. Wer Platz nahm, erlebte einen ersten Hauch der «Samar Experience» – der neuen transmedialen Produktion des Tanztheaters Rigolo, die hier am 17. September Premiere feiert und auch die Schweizer Tournee startet. Diese dauert bis Februar 2026 und ermöglicht es den Besucherinnen und Besuchern, in eine andere Welt einzutauchen.
Kunstvolle, immersive Trauerarbeit
Gewiss, es handelte sich am Freitagabend nur um ein Showing, die Präsentation von Sequenzen. Doch was dem Publikum präsentiert wurde, machte bereits gut die Hälfte jenes Programms aus, das Marula Eugster – verantwortlich für Konzept, Choreografie und künstlerische Leitung – derzeit mit vier Performerinnen und Performern intensiv erarbeitet. Und so war es eine öffentliche Probe, die noch weit vom Endzustand entfernt sein dürfte, aber bereits deutlich machte, um was es bei «Samar Experience» geht.

Wie Marula Eugster gegenüber dem Publikum in der an die Performance anschliessenden Fragerunde offenbarte, ist das immersive «transmediale Kunstprojekt» ein Versuch, den Tod ihres vor zwei Jahren verstorbenen Vaters Mädir Eugster zu verarbeiten und künstlerisch auszudrücken.
Vom Ansatz her ist es aber weit mehr als eine Hommage an einen viel zu früh verstorbenen Kunstschaffenden – Mädir Eugster wurde gerade einmal 68 Jahre alt –, die seine Tochter die vier tanzenden, schwebenden und fallenden Protagonisten Nadika Mohn, Anna Zurkichen, Matthis Paupert und Mikhail Monnin zur Musik Alexandre Dai Castaing aufführen lässt. Denn so ätherisch-zerbrechlich Mädir Eugsters Kunstschaffen oft wirkte – man denke nur an seine legendäre Nummer Sanddorn zurück, die ihn und Rigolo berühmt machte –, so vielschichtig und umfassend wirkte das, was dem Publikum nun hier als Grenzerfahrung gezeigt wird.

Schwebend und schwermütig zugleich
Und das mit der Grenzerfahrung ist wortwörtlich gemeint. Denn Rigolo versteht seine neueste Produktion nicht nur als Tanztheater. «Samar Experience» kombiniert Objekt- und Lichtinstallationen mit zuweilen betörend einschmeichelnden, dann wieder brutal archaisch anmutenden Klanglandschaften. Dazu kommen «Walking Acts» und allerlei Luftnummern, bei denen die Performerinnen und Performer grösstenteils an Seilen an einem grossen Gerüst befestigt sind. Der häufige Einsatz «am Gerüst» verleiht der Vorstellung etwas «zeitlos Sphärisches», das die Zuschauerinnen und Zuschauer mit auf eine Reise in eine andere Welt mitnimmt.
Auf ebendieser «Reise» geht es jedoch nicht nur friedlich zu und her. Die Verarbeitung des Todes des geliebten Vaters kommt, insbesondere durch die zeitweise recht «brutal» klingende Musik, aus der die Trauer deutlich herauszuhören ist, zum Ausdruck. Dass sich dies in einem Tanz ausdrückt, der nur noch wenig mit den zuvor sanften Bewegungen zu tun hat, versteht sich von selbst. Wobei hier Vorsicht geboten ist: Das Publikum bekam nur Ausschnitte zu sehen. Teile von Nummern, an denen die Crew gerade arbeitet. Daraus zu schliessen, dass sich am Ende bei der Vorstellung alles so abspielt, wie am Freitag zu sehen war, wäre zu voreilig.
Das Publikum in der Lokremise war jedoch vom Gesehenen bereits hingerissen. Ein langer, warmer Applaus und viele begeisterte Fragen lassen erahnen, dass sich das Rigolo-Tanztheater mit seiner neuesten Produktion auf dem richtigen Weg befindet.
Einblicke in «Samar Experience»: Tanztheater Rigolo ehrt Gründer Mädir Eugster mit transmedialer Produktion