Fordernde Arbeit als Gebäudereinigerin: «Es ist vielseitiger, als man denkt» | W&O

30.09.2022

Fordernde Arbeit als Gebäudereinigerin: «Es ist vielseitiger, als man denkt»

Die Buchserin Melanie Braun, Goldmedaillengewinnerin an den Swiss Skills, beschreibt ihren Weg zum grossen Erfolg.

Von Hanspeter Thurnherr
aktualisiert am 28.02.2023
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Die Überraschung war für Melanie Braun gross, als sie bei der Rangverkündigung der Gebäudereinigerinnen und Gebäudereinigern an den Swiss Skills in Bern ihren Namen als einer der drei Erstplatzierten auf der Anzeige las – und auf die Bühne durfte.
Ich hätte nie gedacht, dass ich unter die drei Besten kommen würde. Als mein Name dann weder als Dritt- noch als Zweitrangierte verkündet wurde, war ich sprachlos und völlig überrumpelt.
Ihr erster Gedanke: «Da haben sie wohl einen Fehler gemacht.» Erst als sie als Siegerin ausgerufen wurde, begriff sie ihren Erfolg: «Das war ein unbeschreibliches Gefühl.» Bleibende Erinnerung an diesen grossen Moment ist die Goldmedaille mit dem Schriftzug «Swiss Skills 2022» und den Wappen aller Kantone.

Pro Posten 75 Minuten Zeit zu reinigen

Am Wettkampf der zehn Kandidaten (mehrheitlich Männer) im Berufsfeld Gebäudereiniger/in EFZ hatte Melanie Braun an zwei Posten je zwei Aufgaben zu bewältigen. Pro Posten standen ihr 75 Minuten Zeit zur Verfügung. Zuerst musste sie eine Grundreinigung vornehmen, also eine bestehende Belagsschicht am Boden entfernen und eine neue Schicht auftragen. Als zweite Aufgabe galt es für sie, ein «Spitalzimmer» zu desinfizieren. «Dazu war der Prüfungsraum mit Spitalbett, Nachttisch, Besuchertisch und -stuhl, Telefon sowie Sessel ausgestattet», erzählt Melanie Braun.
 Bei der Arbeit: Melanie Braun reinigt mit einer Ultrahighspeed-Maschine ein Zimmer. Bild. Hanspeter Thurnherr
Bei der Arbeit: Melanie Braun reinigt mit einer Ultrahighspeed-Maschine ein Zimmer. Bild. Hanspeter Thurnherr
Am zweiten Posten musste sie einen Teppich sprühextrahieren und eine Fensterreinigung durchführen. «Anfänglich war ich recht nervös. Das hat sich mit der Zeit gelegt und ich merkte, dass es gut läuft, auch wenn mir kleine Fehler passierten. Perfekt kann man es wohl nie machen», sagt die 24-Jährige. Der in vielen Swiss-Skills-Berufen schönste Lohn für die Sieger in Form der Teilnahme an den World Skills bleibt ihr leider verwehrt. Dies, weil der Beruf in zu wenig Ländern als Lehre angeboten wird.

Bei temporärer Arbeit auf den Geschmack gekommen

Melanie Braun ist in Buchs aufgewachsen, besuchte dort die Primarschule und Oberstufe. Da sie lange nicht wusste, welchen Beruf sie lernen wollte, arbeitete sie zuerst temporär in verschiedenen Bereichen, unter anderem in einer Reinigungsfirma. Dort gefiel ihr die Arbeit so gut, dass sie die dreijährige Lehre als Gebäudereinigerin EFZ bei den St. Gallischen Psychiatrie-Diensten Süd in Pfäfers absolvierte. Sie erklärt:
Dieser Beruf ist vielseitiger, als man denkt. Er besteht nicht nur aus Putzen. Bodenreinigen, Schichten entfernen und neu auftragen wie zum Beispiel Öl oder Wachs, versiegeln, oder desinfizieren, was in Coronazeiten besonders wichtig war, zeigen dies.
Weiter ergänzt Braun, dass die Fensterreinigung und Grundreinigung von sanitären Anlagen wie Dusche, WC oder Händewaschbecken oder Teppiche schamponieren weitere Bereiche sind. Dabei arbeiten die Gebäudereiniger viel mit Maschinen wie der Scheuersaugmaschine, der Einscheibenmaschine, dem Sprühextraktionsgerät oder der Kehrsaugmaschine.

Besonders Schnelligkeit wurde trainiert

Die fachliche Bildung erhielt sie an der Gewerblich-Industriellen Berufsfachschule Olten. Diesen Sommer hat Melanie Braun die Lehrabschlussprüfung mit der Gesamtnote 5,2 abgeschlossen.
 Gebäudereinigerinnen arbeiten teilweise mit grossen Maschinen. Im Bild eine Scheuersaug-Maschine.
Gebäudereinigerinnen arbeiten teilweise mit grossen Maschinen. Im Bild eine Scheuersaug-Maschine.
Bild: Hanspeter Thurnherr
Herausragend war sie bei der praktischen Prüfung, bei der sie die Note 5,6 erhielt. «In der Lehre wurde ich sehr gut auf die Abschlussprüfung vorbereitet», windet sie ihrem Lehrbetrieb und Lehrmeister Stjepan Mikulic ein Kränzchen. Sie nutzte das Angebot, bei ihrer Lehrfirma weiterzuarbeiten. An der Diplomfeier, welche in Baden stattfand, wurde sie von der Geschäftsführerin ihres Berufsverbandes Allpura eingeladen, am Wettbewerb, den Swiss Skills, teilzunehmen. Sie nahm die Herausforderung an und begann zu trainieren – insbesondere auf Schnelligkeit, um die Aufgaben in der geforderten Zeit erfüllen zu können. Sei erzählt:
Wir hatten ausserdem zwei Trainingstage, die wir im Ausbildungszentrum in Rickenbach SO absolvierten. Dort wurden wir von Experten gecoacht.

Die Messlatte liegt nun hoch

Die Verantwortlichen bei den St. Gallischen Psychiatrie- Diensten Süd haben begreiflicherweise sehr grosse Freude am Erfolg ihrer ehemaligen Lernenden und jetzt ausgelernten Mitarbeiterin.
 Patrick Oberholzer, Leiter Berufsbildung (links) und Lehrmeister Stjepan Mikulic sind stolz auf ihre ehemalige Lernende und heutige Mitarbeiterin.
Patrick Oberholzer, Leiter Berufsbildung (links) und Lehrmeister Stjepan Mikulic sind stolz auf ihre ehemalige Lernende und heutige Mitarbeiterin.
Bild: Hanspeter Thurnherr
Auf die Frage, was die Goldmedaille für Stjepan Mikulic bedeutet, gab er zur Antwort:
Ich bin in der Begleitung der Lernenden auf dem richtigen Weg. Dies bedeutet jedoch auch, dass die Messlatte nun hoch liegt. Die nachkommenden Lernenden wollen wir ebenfalls gut auf die Berufswelt vorbereiten.
Patrik Oberholzer, Leiter Berufsbildung, fügt an: «Für uns als Arbeitgeberin ist es ein Privileg, eine Goldmedaillengewinnerin der Schweizer Berufsmeisterschaften im Betrieb zu haben. Wir sind sehr stolz auf Melanie. Gleichzeitig ist es eine Bestätigung unserer gelebten Philosophie, die Lernenden anhand ihres individuellen Prozesses zu unterstützen. Jede Lernende und jeder Lernende soll das eigene persönliche Potenzial entfalten und ausschöpfen können. Melanie hat dies mit ihrer hervorragenden Leistung eindrücklich bewiesen.»