Für Krisenfall gerüstet: Zivilschutz könnte das halbe Werdenberg mit Trinkwasser versorgen | W&O

19.08.2022

Für Krisenfall gerüstet: Zivilschutz könnte das halbe Werdenberg mit Trinkwasser versorgen

Angehörige des Zivilschutzes übten von Dienstag bis Donnerstag in Sevelen das Aufbereiten von Trinkwasser.

Von corinne.hanselmann
aktualisiert am 28.02.2023
Dass kein Wasser mehr fliesst, wenn man im Badezimmer oder in der Küche den Hahn betätigt, kann man sich hierzulande kaum vorstellen. Neben Hochwasser- und Erdbebengebieten im Ausland waren aber in den vergangenen Jahren auch schon Gemeinden in der Schweiz von mehrtägigem Trinkwasserausfall betroffen. Um in einem solchen Ernstfall gerüstet zu sein, hat der Zivilschutz St. Gallen im vergangenen Jahr für rund 120'000 Franken eine Ultrafiltrationsanlage mit dem nötigen Zubehör angeschafft, die täglich bis zu 120'000 Liter Trinkwasser produzieren kann. Damit könnte man im Sinne einer Notwasserversorgung etwa die Hälfte der Bevölkerung im Werdenberg abdecken. Diese Woche fand beim Werdenberger Binnenkanal in Sevelen ein Wiederholungskurs statt.
 Aus dem Kanal wird das Wasser in ein Ausgleichsbecken gepumpt.
Aus dem Kanal wird das Wasser in ein Ausgleichsbecken gepumpt.

Trinkwasser produzieren aus Oberflächengewässer

«Mit dieser Anlage können wir aus jedem fliessenden Oberflächengewässer gefiltertes Trinkwasser produzieren und dann an die Bevölkerung abgeben», erklärt Roland Huber, Kommandant der Zivilschutzorganisation Werdenberg. Er leitet im kantonalen Einsatzelement St. Gallen (KEE), welches Aufgaben für den ganzen Kanton abdeckt, den Fachbereich Trinkwasseraufbereitung.
 Das Kernstück der Anlage: die Ultrafiltrationsanlage.
Das Kernstück der Anlage: die Ultrafiltrationsanlage.
Die Anlage ist leicht und sehr mobil – das gesamte Equipment wiegt ungefähr 1,2 Tonnen und passt in einen Anhänger. Innert einem halben Tag kann sie in Betrieb genommen werden. «Dieselbe Anlage ist weltweit krisenerprobt und kam beispielsweise im vergangenen Jahr beim verheerenden Hochwasser im deutschen Ahrtal zum Einsatz», weiss Roland Huber.

Bakterien und Viren werden herausgefiltert

Das Kernstück bildet die Ultrafiltrationsanlage mit zwei Membranfiltern. Eine Pumpe saugt Wasser direkt aus der Quelle oder aber aus einem Ausgleichsbecken an und presst es mit wenig Druck durch feine Röhrchen. Alles, was grösser als 20 Nanometer ist – zum Beispiel Bakterien und Viren –, wird darin zurückgehalten. Das saubere Wasser wird in einem Reservoir gesammelt und die Filteranlage regelmässig gespült. «Nicht zurückhalten kann diese Anlage alles, was im Wasser gelöst ist», erklärt Roland Huber. Also beispielsweise Salz, Zucker oder chemische Stoffe wie Nitrat. Im mobilen Labor vor Ort werden beim Rohwasser wie auch beim gefilterten Trinkwasser erste Tests gemacht und beispielsweise PH-Wert, Nitrat-, Eisen- und Chlorgehalt gemessen.
 Im mobilen Labor werden Tests gemacht.
Im mobilen Labor werden Tests gemacht.
Mit Chlor wird gemäss Roland Huber gearbeitet, um die Anlage zu desinfizieren, weil beim Aufbau Schmutzpartikel ins System gelangen könnten, und um eine gewisse Haltbarkeit des Wassers garantieren zu können.

Zivilschutz kann Wasserwerke im Notfall unterstützen

Christian Heeb, Kommandant des KEE, erklärt:
In einem Ernstfall würden wir zusätzlich täglich Proben im kantonalen Labor untersuchen lassen. Wenn der Zivilschutz Trinkwasser produziert, werden wir zum Lieferanten und müssen uns absichern, dass die Qualität gut ist.
 Angehörige des Zivilschutzes übten beim Werdenberger Binnenkanal in Sevelen.
Angehörige des Zivilschutzes übten beim Werdenberger Binnenkanal in Sevelen.
Es ist gesetzlich vorgegeben, dass Wasserversorger im Krisenfall innert drei Tagen eine Notversorgung mit vier Litern Trinkwasser pro Person garantieren müssen. «Wenn die Versorgung ausfällt, können wir die Wasserwerke unterstützen und mit dieser Anlage die Notversorgung sicherstellen», erklärt Roland Huber den Sinn und Zweck dieser Anlage im Kanton St. Gallen. Am Mittwoch waren Werdenberger Behörden zum WK eingeladen. «Die Brunnenmeister der Wasserwerke haben grosses Interesse gezeigt», so Huber.
Sie wissen nun, dass sie sich in einem Notfall an uns wenden und unsere Anlage abrufen könnten.