Füttern ist sinnlos: Rabenkrähen und Alpendohlen machen Nesslau-Neu St.Johann unsicher | W&O

12.12.2022

Füttern ist sinnlos: Rabenkrähen und Alpendohlen machen Nesslau-Neu St.Johann unsicher

Gutgemeint ist nicht immer gutgemacht. Immer wieder füttern Menschen im Winter Wildtiere an, was zu unerfreulichen Ergebnissen führt. Man kann den Vögeln anders besser helfen, wie der Obertoggenburger Wildhüter Urs Büchler erklärt.

Von Sascha Erni
aktualisiert am 28.02.2023
Zurzeit finden sich in Nesslau-Neu St.Johann viele Krähen und Alpendohlen. Im aktuellen Mitteilungsblatt spricht die Gemeinde gar davon, dass die Tiere zu einer Plage geworden seien und die Häuser regelrecht belagerten. Selbst Gebäude seien in einigen Fällen durch diese Vögel beschädigt worden. Ein Grund dafür: Werden die Tiere gefüttert, nimmt die Population stetig zu. Auf Rückfrage dieser Zeitung bestätigt die Gemeindekanzlei, dass verschiedene Menschen in Nesslau-Neu St.Johann die Dohlen und Krähen bewusst füttern würden. Die Gemeinde bittet nun im Mitteilungsblatt die Bevölkerung, von einer Fütterung von Alpendohlen und Krähen abzusehen.

Viele Rabenvögel im Toggenburg

«Generell haben wir in der Region viele Krähen», sagt Urs Büchler. Er ist Wildhüter des Kantons St.Gallen und zuständig fürs Obere Toggenburg und das Neckertal. Dann ergänzt er:
Ob es zu viele sind, ist immer eine menschliche Betrachtung, es sind genau so viele, wie der Lebensraum hergibt.
 Urs Büchler, Wildhüter des Kantons St.Gallen im Obertoggenburg und Neckertal.<br />
Urs Büchler, Wildhüter des Kantons St.Gallen im Obertoggenburg und Neckertal.
Bild: Urs M. Hemm
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Wird die Witterung schlechter, dann stossen auch Alpendohlen vermehrt ins Tal herunter. Füttern nun Einzelne die Tiere an, verschärfe das die Situation. Üblicherweise reguliere sich der Bestand der Tiere im Winter selbst. Wenn Krähen an einem Ort als Problem wahrgenommen werden, sei oft der Mensch der Auslöser. Als Kulturfolger seien Krähen sowieso Gewinner in unserer zivilisierten Welt. «Eine Futtergabe ist völlig sinnlos», hält Urs Büchler fest.

Mitgefühl verständlich, aber nicht zielführend

Es sei nachvollziehbar, wenn Menschen Mitgefühl zeigen, weil es kalt ist, sagt der Wildhüter. «Aber Selektion ist in der Evolution sehr wichtig.» Man tut einer Tierart keinen Gefallen, wenn man hier eingreift. Aus diesem Grund verzichte man heute auch aufs winterliche Füttern von Rehen und anderen Huftieren. Neben dem Eingriff in den Selektionsprozess könne die Futtergabe die Konkurrenz zwischen verschiedenen Tierarten beeinflussen und Krankheitsübertragungen begünstigen.
 Nimmt das Nahrungsangebot in den Bergen ab, fliegen Alpendohlen auch ins Tal.
Nimmt das Nahrungsangebot in den Bergen ab, fliegen Alpendohlen auch ins Tal.
Bild: Sascha Erni
Urs Büchler weiss nichts von Menschen im Toggenburg, die sich sehr oft von Krähen und Dohlen belästigt fühlen. Auch sind ihm in Nesslau nur einzelne Gebäudeschäden bekannt. Der Wildhüter sagt:
Aus den Dörfern gibt es allgemein wenige Klagen.
Falls es Reklamationen gebe, dann stammten diese meistens aus der Landwirtschaft. Viel machen könne man selten oder nur mit sehr grossem Aufwand.

Jagen und Vergrämen kaum Optionen

Krähen zu regulieren, sei eine Sisyphusarbeit, denn viele der Krähen leben in einem Schwarm: In dem Fall brüten sie nicht und ziehen zu Hunderten herum. Einzelne abzuschiessen, bringe entsprechend nichts, da der Bestand diese Lücken sofort wieder aufzufüllen vermag. Skeptisch sieht Büchler auch den Einsatz von Vergrämungsabschüssen, Abschüssen also, bei denen die toten Tiere in Form von Rupfungen auf dem Feld liegen gelassen werden. «Die Wirkung von Vergrämungsabschüssen bringt nur selten den erwünschten Effekt», erklärt er. Denn Krähen seien sehr intelligente Tiere. Wenn keine Alternative vorhanden ist, dann halten sie an der leicht zu erreichenden Futterquelle fest, Vergrämungsversuche hin oder her.
 Eine Krähe auf einem Dach in Dicken, Gemeinde Nesslau-Neu St.Johann.
Eine Krähe auf einem Dach in Dicken, Gemeinde Nesslau-Neu St.Johann.
Bild: Sascha Erni

Strukturreiche Umgebung besser als Füttern

Als vorbeugende Massnahme gegen eine Krähen-«Plage», wie sie derzeit in Nesslau zu beobachten ist, helfe entsprechend vor allem der Verzicht aufs Füttern. Stattdessen schlägt Wildhüter Büchler vor, für eine strukturreiche Umgebung mit Sträuchern zu sorgen. Und falls dann ein Krähenpaar brüten sollte, habe man Glück gehabt – denn diese verteidigen ihr Revier vehement gegen Schwarmkrähen