Gartentipp: Not zur Tugend gemacht mit Lebensraum zwischen den Steinen | W&O

29.04.2022

Gartentipp: Not zur Tugend gemacht mit Lebensraum zwischen den Steinen

Zwischen den Fugen wachsen erstaunlich viele Pflanzen, die mit äusserst prekären Verhältnissen gut auskommen.

Von Bert Stankowski
aktualisiert am 28.02.2023
Unkraut, Jät oder Abfall nennen wir viele der einheimischen Pflanzen, die unerwünscht in Platten- und Verbundsteinfugen, auf Ruderalflächen, Strassen- und Wegrändern oder in unseren geputzten Blumenbeeten und Rasen wachsen. Aber hoppla: Diese Pflanzen sind einheimisch und haben in der Natur ihren Sinn und Zweck. Glücklicherweise hat sich in letzter Zeit die Sprach- und Schreibregel etwas geändert und wir nennen diese Gewächse nicht mehr gar so abwertend nun Beipflanzen.

Einzelne oder mehrere Steine weglassen

Moderne Gärten haben für solche «Randständigen» eine aparte Verwendung gefunden. Man hat angefangen, in grösseren Platten- und Steinflächen einen begrenzten Lebensraum für flachwachsende Polsterpflanzen zu gewinnen – man lässt einzelne oder mehrere Steine weg. Es handelt sich vorwiegend um niedrig wachsende Pölsterli. Sie ertragen es ohne Probleme auch einmal, dass ein unvorsichtiger Fussgänger oder eine Fussgängerin auf sie tritt. Das überleben sie, ohne Schaden zu nehmen. Sollte doch einmal etwas abbrechen oder zerquetscht werden, können sich die Pflanzen meist aus der Wurzel heraus wieder regenerieren. Fugenpflanzen haben die Not zur Tugend gemacht und das Übel sozusagen an der Wurzel gepackt. Besonders heben sich hier mehrere Arten von flach wachsenden Thymianen hervor. Neben den hübschen, oft blau schimmernden Polstern tragen sie herrliche Blüten und die duftenden Blätter sind zudem immergrün. Was will man mehr? Nicht einmal ein Englischer Rasen schafft das alles. Thymian und ein weiteres grosses Sortiment derartiger Pflanzen erhält man in der Gärtnerei, im Hobbymarkt oder Gartencenter.

Platz zum Überleben schaffen

Und dann dürfen wir nicht vergessen, wie viele verschiedene Tiere hier leben und von den Pflanzen ihr Auskommen beziehen. Honigbienen suchen die meist sonnenbeschienenen Flächen auf. Besonders gerne ist es aber ein Refugium der Wildbienen. Von ihnen leben an die 615 Arten in der Schweiz. Ihre Vorkommen sind oft auf heisse, trockene Areale beschränkt und sie verlieren fast täglich Hunderte von Quadratmetern ihres Lebensraums. Ein Umdenken hat begonnen, offensichtlich neigt sich die Waagschale der Göttin Flora wieder ein kleines Bisschen auf die Seite der Natur. Sobald wir beginnen, andere Lebewesen nicht mehr in Gut und Böse, nützlich und unnütz einzuteilen, sondern auch ihnen Platz zum Überleben zu lassen, könnte man von einer Verbesserung der Artenvielfalt sprechen. Denn, der grösste Schädling der Natur ist bekanntlich der Mensch.
 Bert Stankowski, Autor Gartenkolumne.
Bert Stankowski, Autor Gartenkolumne.
Bild: PD
Bert Stankowski, Weisslingen www.hostako.npage.eu