Mehr Schwerverletzte und Tote auf St.Galler Strassen – Grund dafür sind vor allem Motorradunfälle | W&O

Kanton St. Gallen 17.03.2024

Mehr Schwerverletzte und Tote auf St.Galler Strassen – Grund dafür sind vor allem Motorradunfälle

Gegenläufige Trends bei Verkehrsunfällen: Die Gesamtzahl der Unfälle hat abgenommen, doch die Zahl der Schwerverletzten nimmt immer weiter zu. Das hat auch damit zu tun, dass immer mehr Menschen auf zwei Rädern unterwegs sind. Das Motorrad bleibt das gefährlichste Verkehrsmittel – und baut seinen Vorsprung weiter aus.

Von Jochen Tempelmann
aktualisiert am 18.03.2024

Auf den Strassen im Kanton St.Gallen haben sich im vergangenen Jahr rund hundert Unfälle weniger ereignet als 2022 – so die gute Nachricht, die aus der Verkehrsunfallstatistik der Kantonspolizei St.Gallen hervorgeht. Doch es gibt auch eine schlechte Nachricht: 2023 haben sich so viele Unfälle mit Schwerverletzten und Toten ereignet wie zuletzt vor über zehn Jahren.

19 Menschen starben im letzten Jahr auf den St.Galler Strassen, vier mehr als im Vorjahr. Die Zahl der Unfälle mit Schwerverletzten erreichte 2019 einen Tiefstand von 147 und ist seitdem kontinuierlich auf 240 gestiegen. Blickt man weiter in die Vergangenheit, waren die Zahlen zwar deutlich höher – der Anstieg der letzten Jahre liege aber ausserhalb statistischer Schwankungen, sagt Philipp Sennhauser, Leiter der Verkehrspolizei des Kantons.

Mehr Mobilität, mehr Unfälle

«Die Gesamtzahl der Unfälle hat sich auf tiefem Niveau eingependelt», sagt Sennhauser. Tatsächlich bewegt sich die Zahl im Bereich der vergangenen Jahre – nur während der Pandemie 2020 und 2021, die mit deutlich verändertem Verkehrsverhalten einherging, lag die Zahl der Unfälle tiefer.

Angesichts der sich ändernden Rahmenbedingungen zeigt sich Sennhauser mit der Entwicklung zufrieden. Denn der Verkehr nimmt zu – das sei einerseits dem Bevölkerungswachstum geschuldet, andererseits der steigenden individuellen Mobilität. Zudem hat sich der Fahrzeugmix verändert: insbesondere der Zweiradverkehr, gemeint sind Fahrräder, E-Bikes und Trottinetts, habe deutlich zugenommen.

Das schlägt sich in der Statistik nieder: Die Zahl der Schwerverletzten bei Autounfällen nahm um 13 auf 35 ab. Auf dem Velo (41) und dem E-Bike (40) blieb die Zahl hingegen konstant, womit beide das Auto hinsichtlich der schweren Unfälle überholt haben. Deutlich zugenommen hat hingegen die Zahl der schwer verletzten Fussgängerinnen und Fussgänger, genauer von 23 auf 30. Zudem starben fünf Personen, die zu Fuss unterwegs waren – im Vorjahr war nur eine Person tödlich verletzt worden.

Viele schwere Motorradunfälle

Das in absoluten Zahlen gefährlichste Verkehrsmittel war bereits früher das Motorrad. Kein anderes Fahrzeug hat aber einen so deutlichen Anstieg verzeichnet: 78 Personen zogen sich bei Motorradunfällen schwere Verletzungen zu – so viele, wie Fahrrad- und E-Bike-Fahrende zusammengenommen. Die Zahl der Motorradunfälle hat einen Zehn-Jahres-Höchststand erreicht.

«Motorradfahren ist populärer geworden», sagt Verkehrspolizei-Leiter Sennhauser. Das zeige sich unter anderem an der steigenden Zahl zugelassener Motorräder. Dass die Zahl der Motorradunfälle stark schwankt, sei unter anderem auf die Wetterlage zurückzuführen. Bemerkbar mache sich allerdings auch, dass seit 2021 schon 16-Jährige auf 125-Kubikzentimeter-Maschinen fahren dürfen.

Massnahmen für mehr Verkehrssicherheit

Die Verkehrspolizei nimmt die Statistik nicht einfach zur Kenntnis. Unter den Prämissen «Repression» und «Prävention» setzt sie Massnahmen um, um die Verkehrssicherheit zu erhöhen. Repression erfolge beispielsweise durch abschreckende Kontrollen an gefährlichen Strassen, sagt Sennhauser. Das betrifft beispielsweise die beliebten Motorradstrecken am Stoss, an der Hulftegg oder am Ricken.

 

Prävention bedeutet hingegen, alle Verkehrsteilnehmenden zu umsichtigem Handeln aufzufordern. «Jeder Einzelne kann einen Beitrag leisten, das Unfallrisiko und den Schweregrad zu reduzieren», sagt der Verkehrspolizist.

Damit schöpft die Polizei ihren Handlungsspielraum aus. Massnahmen zur Entschärfung, etwa bei der Infrastruktur, müssten von der Verwaltung umgesetzt werden. «Ein tieferes Tempo garantiert nicht zwingend weniger Unfälle, doch sie verlaufen möglicherweise weniger schwer», sagt Sennhauser.

Auf separaten Velowegen kommt es zu weniger Kollisionen, doch sie brauchen Platz und Geld.

Wie viel es wert sei, die Zahl der Schwerverletzten zu reduzieren, sei damit eine Frage der Politik.