Migros: Schwierige Entscheide in schwierigen Zeiten | W&O

Buchs vor 5 Stunden

Migros: Schwierige Entscheide in schwierigen Zeiten

Aus erster Hand, nämlich von Martin Lutz, dem Geschäftsführer der Migros Ostschweiz, konnten sich die Teilnehmenden des Buchser Montagsgesprächs über Hintergründe des zurzeit laufenden Totalumbaus des Migros-Konzerns informieren und kritische Fragen stellen.

Von PD
aktualisiert vor 5 Stunden
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Aus mehreren Gründen, so Martin Lutz, sei der umfassende Konzernumbau unausweichlich geworden.

  • Erstens sei der Konkurrenzkampf im Detailhandel in den letzten zehn bis 15 Jahren immer härter geworden, nicht zuletzt durch den Markteintritt von Lidl und Aldi.
  • Zweitens hätte sich das Kaufverhalten der Kundschaft stark verändert, Preisvergleiche spielten beim Einkaufen eine immer wichtigere Rolle und deshalb werde auch immer öfter im grenznahen Ausland, wo die Preise tiefer sind, eingekauft.
  • Drittens erfreue sich das Onlineshopping immer grösserer Beliebtheit, was auch einer der Hauptgründe dafür sei, dass die Migros-Fachmärkte zuletzt einen jährlichen Verlust von insgesamt rund 100 Millionen Franken hätten hinnehmen müssen.
  • Viertens habe man sich während langer Zeit durch viele Akquisitionen verzettelt und dem eigentlichen Kerngeschäft, dem Supermarkt, zu wenig Sorge getragen.
  • Fünftens sei aber auch der Migros-Konzern selber mit seinen komplexen Strukturen und aufwendigen Entscheidungsabläufen träge geworden und hätte es verpasst, rechtzeitig auf die neuen Herausforderungen zu reagieren.

Es gab keine Alternative zu den getroffenen Massnahmen

Martin Lutz stellte sich in Buchs kritischen Fragen.
Martin Lutz stellte sich in Buchs kritischen Fragen.
PD

Als logische Schlussfolgerung hätten sich die zukünftige Fokussierung auf das Kerngeschäft Supermarkt und die Veräusserung der unrentablen Fachmärkte ergeben. Für alle ausser für Do it + Garden hätten Anschlusslösungen gefunden werden können und für fast alle der rund 600 bei Migros Ostschweiz betroffenen Angestellten hätten sich neue Beschäftigungsmöglichkeiten finden lassen.

Ihm sei bewusst, so Lutz, dass vielen langjährigen Beschäftigten die neue Arbeitssituation nicht leicht fallen werde und dass auch – gerade am Beispiel von Do it + Garden in Buchs – der Kundschaft etwas weggenommen werde, was sehr beliebt und geschätzt worden sei. Dennoch hätte es nach allen vorgenommenen Analysen keine brauchbaren Alternativen zu den nun getroffenen Massnahmen gegeben.

Künftig werde die Migros mit einem modernen und verdichteten Filialnetz – beispielsweise auch mit der neuen Filiale in Sevelen –, tieferen Preisen sowie frischen und regionalen Sortimenten wieder für positive Schlagzeilen sorgen, gab sich Lutz überzeugt.

Manche hätten von der Migros mehr Mut erwartet

In der nun folgenden Diskussion wurde mehrfach Unverständnis bekundet, wie umfassend der Umbau in der so kurzen Zeit von etwa einem Jahr erfolgt sei, sodass man den Eindruck bekäme, es sei eine Art Panikreaktion, die mit all ihren Konsequenzen zu wenig bedacht worden sei. Dem widersprach Martin Lutz, indem er erklärte, der Umbau sei hinter den Kulissen umfassend diskutiert und sorgfältig vorbereitet worden.

Eine Votantin bedauerte den «Kniefall» der Migros vor dem Trend zum Onlineshopping. Sie hätte von der Migros mehr Mut erwartet, sich diesem Trend bewusst entgegenzustellen und die Vorzüge des Einkaufens vor Ort in den Vordergrund zu stellen, zumal sie sich sicher sei, dass es früher oder später wieder zu einer gegenläufigen Entwicklung kommen werde, wenn den Konsumentinnen und Konsumenten erst einmal die negativen Auswirkungen des Onlineshoppings mit Billigprodukten auf Kosten von Umwelt und Arbeitsbedingungen so richtig bewusst würden – eine optimistische Sichtweise, die Martin Lutz nicht teilen wollte.

Eine andere Diskussionsteilnehmerin zeigte sich befremdet darüber, dass trotz der offensichtlichen finanziellen Engpässe dennoch erhebliche Investitionen für die kürzlich erfolgte Renovation der Migros Buchs, welche für die Kundschaft keinen ersichtlichen Mehrwert mit sich bringe, getätigt worden seien. Lutz begründete den Umbau damit, dass die Kundschaft eine regelmässige Attraktivitätssteigerung der Verkaufsumgebung und des damit verbundenen Einkaufserlebnisses erwarte, diese Erneuerungen aber abgesehen davon ohnehin aus technischen Gründen, beispielsweise wegen des Ablaufs der Kühlgeräte, unerlässlich seien.

Migros hat viel mehr Produkte als Lidl und Co. 

Die Frage nach den Preisunterschieden zwischen Aldi und Lidl auf der einen, Migros auf der anderen Seite beantwortete Lutz damit, dass es eben weit kostengünstiger sei, das Angebot – wie etwa bei Lidl und Aldi – auf circa 2500 Produkte zu beschränken, statt, wie bei einer grossen Migros, rund 35’000 verschiedene Produkte anzubieten.

Im Verlaufe des Abends wurde die Vielschichtigkeit des Themas deutlich. Und auch, wie entscheidend das Verhalten der Konsumentinnen und Konsumenten ist. Wenn immer mehr Menschen nur noch online und möglichst billig einkaufen wollen, dann, so ein letztes Votum aus der Diskussionsrunde, müsse man sich nicht wundern, wenn auch traditionsreiche Unternehmen wie die Migros früher oder später zu Massnahmen gedrängt würden, die dann bei vielen Menschen auf Unverständnis stiessen. Jeder und jede könne selber etwas dazu beitragen und sei mitverantwortlich dafür, in welche Richtung und mit welchen Konsequenzen sich alles entwickle.