Pascal Koller sass noch nie auf einem Motorrad, bis er beschloss damit die Welt zu umrunden | W&O

14.09.2022

Pascal Koller sass noch nie auf einem Motorrad, bis er beschloss damit die Welt zu umrunden

Der 27-jährige Pascal Koller aus Stein umrundet mit seiner Kawasaki die Welt. In den vergangenen vier Monaten fuhr er 15'000 Kilometer nach Osten und befindet sich nun in Belutschistan.

Von Alexandra Gächter
aktualisiert am 28.02.2023
Wie umrundet man am besten die Welt? Diese Frage stellte Pascal Koller aus dem Nichts seinen Arbeitskollegen. Es war morgens um fünf Uhr, die Nachtschicht der Polizisten war soeben zu Ende gegangen. Mit einem Feierabendbier liessen sie den Arbeitstag ausklingen – welcher für andere erst beginnen würde. Die Frage war dennoch ernst gemeint, ebenso die Antwort seiner Mitarbeiter:
Mit dem Motorrad.
Mit dem Fahrrad sei es zu anstrengend, mit dem Auto zu umständlich. Die Antwort leuchtete ein, nur hatte Pascal Koller ein Problem: Weder konnte er Motorrad fahren, noch besass er eines. Genau genommen hatte er sich sogar vorgenommen, nie Motorrad zu fahren. Das war Ende 2020. Zu spät, um einen Rückzieher zu machen Mittlerweile hat der 27-jährige Toggenburger die Motorradprüfung bestanden und besitzt eine 650er Kawasaki. Wer Grosses vor hat, kann sich schliesslich von kleinen Problemen nicht aufhalten lassen. Pascal Koller ging zu einem Händler, sah eine Kawasaki, fuhr sie Probe und kaufte sie. Dann beschloss er, sein Gefährt auf einer mehrtägigen Italienreise auszuprobieren – sozusagen als Hauptprobe für die Weltumrundung. Pascal Koller sagt:
Eigentlich war es zu diesem Zeitpunkt schon zu spät, um einen Rückzieher zu machen.
Die Weltumrundung war bereits beschlossene Sache.
 Zwei Deutsche begleiten Pascal Koller in Pakistan.
Zwei Deutsche begleiten Pascal Koller in Pakistan.
Bild: PD
Heute, rund vier Monate und 15'000 Kilometer später, wird er von erfahrenen Motorradfahrern, welche er auf der Reise trifft, belächelt. Pascal Koller erzählt:
Ich kenne mich mit meiner Maschine nicht aus und frage mich durch.
Dass er zum Beispiel die Kette ständig ölen und deren Spannung kontrollieren muss, war ihm nicht bewusst. Stelle als Polizist gekündigt Am 19. April fuhr Pascal Koller von seinem Wohnort in Stein los. Seine Stelle bei der Kantonspolizei gab er auf. Sein Ziel ist es, die Welt zu umrunden. Sein Motto:
Einfach mal in Richtung Osten zu fahren, so weit die Strasse reicht.
«Ein tolles Gefühl, so weit gekommen zu sein» 35 Kilogramm Gepäck, verteilt auf drei grosse Aluminiumboxen, nahm er mit. Fünf Kilogramm hat er zwischenzeitlich wieder ausgemistet. Bislang fuhr er die Küste des Balkans hinunter bis nach Athen, dann Richtung Norden nach Sofia in Bulgarien, danach durchquerte er die Türkei und fuhr bis nach Tiflis in Georgien. An der Grenze zu Aserbaidschan wurde er zurückgewiesen. Wegen Corona sei keine Einreise über Land möglich. Also fuhr er zurück in die Türkei, durchquerte den Iran, passierte die pakistanische Grenze und befindet sich nun in Belutschistan. Pascal Koller sagt:
Es ist ein tolles Gefühl, so weit gekommen zu sein, ohne einen Flughafen von innen gesehen zu haben.

 «Hoffnungsloser Optimist» muss man sein

Bisher lief alles nach Plan. Das liegt daran, dass sein Plan schlicht ist. Er lautet:
Ich fahr mal hin und schaue, wie es läuft.
Seine Freunde nennen ihn denn auch «einen hoffnungslosen Optimisten». Das müsse man bei so einem Vorhaben aber auch sein, findet der 27-Jährige.

Zuerst die wichtigsten Wörter lernen

Dennoch gab es Probleme. Die Beschaffung der Visa für Iran und Indien war ein «Papierkrieg sondergleichen». Einheimische halfen ihm, die richtigen Formulare an die richtigen Stellen zu senden. Während die Stadtbewohner Englisch sprechen, muss er sich auf dem Land mit Händen und Füssen verständigen. Deshalb lernt er, sobald er in einem neuen Land ankommt, erst einmal die wichtigsten Wörter wie «Hallo, Danke, Bitte, Wasser und Essen».
 Die Nächte verbringt er hier aus Sicherheitsgründen auf dem Polizeiposten.
Die Nächte verbringt er hier aus Sicherheitsgründen auf dem Polizeiposten.
Bild: PD
Zudem musste Pascal Koller ab der Türkei sein Motorrad in jedem Land neu versichern und für die Einreise in den Iran sein gesamtes Reisegeld importieren. Seit der iranischen Grenze darf er sich nur unter Polizeischutz fortbewegen. Permanent steht oder fährt ein Polizist an seiner Seite, weil hier Taliban ihr Unwesen treiben.

Der Toggenburger muss auf der Hut sein

Die Nächte verbringt er hier aus Sicherheitsgründen auf dem Polizeiposten. Er müsse auf der Hut sein, weil Touristen oft abgezockt werden. Mit seinem Motorrad falle er im Iran besonders auf. Pascal Koller sagt:
Bei den Einheimischen sind Motorräder nur bis 350ccm erlaubt, damit man nicht vor der Polizei flüchten kann.
10 Rappen pro Liter Benzin, zwei Franken für das Essen Bis jetzt konnte der junge Toggenburger seine Kosten pro Monat unter 1000 Franken halten. Das sei in solch armen Ländern auch nicht schwer. Das Benzin kostet pro Liter gerade einmal 10 Rappen, ein Mittagessen zwei Franken. In Australien und den USA muss er mehr auf sein Geld achten. Pascal Koller sagt:
Ich kann an einem Tag auch nur einen Apfel mit Brot essen, das reicht mir.
 Camping in den iranischen Bergen.
Camping in den iranischen Bergen.
Bild: PD
Bei der Übernachtung ist der Toggenburger ebenfalls unkompliziert. Je nach Preis und Laune übernachtet er in Hotels, Motels, Hostels, auf Campingplätzen, macht Couchsurfing oder campt wild. Er sagt:
Eine schöne Wiese ziehe ich einem miefigen Hotel allemal vor.

20'000 Franken wird Weltumrundung schätzungsweise kosten

Am Ende der Weltumrundung, so rechnet er, sei er wohl um 20'000 Franken ärmer, dafür um viele unbezahlbare Augenblicke reicher. Er sagt:
Wenn ich auf dem Motorrad sitze und einfach so vor mich hin fahre, steigt in mir oft eine unfassbare Freude auf und erfüllt mein Herz. Ich kann es kaum beschreiben.

In den Helm hinein jauchzen

Es habe wohl damit zu tun, frei zu sein und mitten in einem Abenteuer zu stecken. Pascal Koller sagt:
Ich jauchze jeweils vor Freude in meinen Helm hinein und geniesse die an mir vorbeiziehende Landschaft.

Freiheitsgefühl seit vier Monaten

Seine Gefühle vergleicht der 27-Jährige mit denjenigen eines Basejumpers, kurz nach dem Absprung – mit dem Unterschied, dass sein Freiheitsgefühl nicht vier Sekunden, sondern seit mehr als vier Monaten andauert. Der Preis, welcher er für seine Freiheit zahlt, ist die Einsamkeit. Er sagt:
Die ersten zwei Wochen meiner Reise fühlte ich mich oft alleine. Ich sprach viel mit mir selbst. Das half.
Ab der dritten Woche verflog die Einsamkeit. Mittlerweile trifft Pascal Koller auf der Reise ständig Personen, mit denen er ein Weile unterwegs ist. Mit seiner Familie und Freuden kommuniziert er täglich. Indien, Thailand, Australien, Südamerika, USA, Kanada, Europa Sein Plan sieht vor, dass er weiter nach Indien fährt. Da in Myanmar Bürgerkrieg herrscht, werde er wohl ein Schiff von Indien nach Thailand nehmen. Von dort aus fährt er nach Singapur. Dann geht es entweder per Schiff oder Flugzeug weiter nach Australien. Nachdem er auch dieses Land mit seinem Motorrad durchquert hat, geht es mit dem Schiff nach Chile, um von dort aus Südamerika und die USA zu durchreisen. In Kanada wird er ein letztes Mal an Bord eines Schiffes steigen, um zurück nach Europa zu gelangen. Voraussichtlich erst im Jahr 2025 wieder zuhause Voraussichtlich wird er im Jahr 2025 von seiner Reise zurückkehren. Von anderen Reisenden hat er erfahren, dass sie in Neuseeland eine Weile als Zimmermann gearbeitet haben. Pascal Koller, der vor seiner Karriere bei der Polizei eine Lehre als Zimmermann absolviert hatte, meint dazu:
In Neuseeland arbeiten, das will ich jetzt auch.
Hinweis: Instagramaccount: motopaesci