Sargans wählt den Rechtsweg: Streit mit dem Kanton St. Gallen um Tempo 30 eskaliert weiter | W&O

Sargans 21.11.2025

Sargans wählt den Rechtsweg: Streit mit dem Kanton St. Gallen um Tempo 30 eskaliert weiter

Sargans will Tempo 30 im Ortszentrum – der Kantonsrat will Tempo 50 auf Hauptstrassen. Noch bevor ein entsprechendes Kantonsgesetz verabschiedet ist, geht Sargans gegen den Kanton vor: Die Gemeinde fordert, dass der Kanton ihr dringliches Tempo-30-Anliegen behandelt.

Von Jochen Tempelmann
aktualisiert am 21.11.2025
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Wo darf die Höchstgeschwindigkeit auf 30 reduziert werden? Über diese Frage streiten sich der Kanton St. Gallen und die Gemeinden. Während die Gemeinden mit Sicherheit und Lärmvermeidung für Tempo 30 argumentieren, pocht der Kantonsrat auf den Verkehrsfluss. Die bürgerlichen Fraktionen haben ihre Haltung mit einer Motion verdeutlicht. Doch die Gemeinden wehren sich – allen voran Sargans. Um ihre Tempo-30-Pläne durchzusetzen, schlägt die Gemeinde im Streit mit dem Kanton den Rechtsweg ein.

Noch ist das Gesetz nicht beschlossen, das den Gemeinden Tempo 30 auf Hauptstrassen verbietet. Doch mit Blick auf die anstehende Gesetzesänderung hat das Tiefbauamt des Kantons das Tempo-30-Begehren auf Eis gelegt. Wie die Gemeinde am Donnerstag mitteilt, wehrt sie sich dagegen: Mittels einer Rechtsverzögerungsbeschwerde fordert sie vom Kanton einen baldigen Beschluss.

Kantonsrat fordert «verkehrsorientierte Strassen»

Die Beschwerde ist die nächste Eskalationsstufe in einem schwelenden Streit. Er begann 2023, als die bürgerlichen Parteien ihre Motion «Kein Tempo 30 auf verkehrsorientierten Strassen» einreichten. Darin forderten sie, dass auf Kantonsstrassen und Gemeindestrassen erster Klasse nur in Ausnahmefällen eine von der Norm abweichende Höchstgeschwindigkeit gelten soll. Sprich: Auf Hauptstrassen soll innerorts Tempo 50 gelten.

Gegen den Widerstand von Regierung und Links-Grün nahm der Kantonsrat die Motion im Mai 2023 an. Im September hat die Regierung nun ihren Gesetzesentwurf vorgestellt, mit dem die Motion umgesetzt werden soll. Er wird in der kommenden Session Anfang Dezember diskutiert, die Annahme durch den Kantonsrat ist angesichts der Mehrheitsverhältnisse fast sicher.

Sargans beharrt auf Standpunkt

Zum Zeitpunkt der Motion liefen in Sargans bereits Planungen für Tempo 30 im Ortszentrum. Entsprechend war der Unmut in Sargans schon damals gross. Der Gemeinderat setzte seine Planung fort. Im Januar dieses Jahres reichte Sargans ein Gesuch um Tempo 30 beim Kanton ein.

Doch beim Tiefbauamt stiess der Gemeinderat auf taube Ohren. In seiner heutigen Mitteilung schreibt er: «Begründet wird die vorläufige Nichtbehandlung unter anderem mit dem kantonalen ‹Tempo 30-Moratorium›». Das heisst: Solange das neue Gesetz nicht beschlossen ist, behandelt das Amt das Sarganser Anliegen nicht.

Dagegen wehrt sich die Gemeinde zusammen mit betroffenen Anwohnenden mit der Rechtsverzögerungsbeschwerde. Sie fordern darin vom Bau- und Umweltdepartement, dass sich das Tiefbauamt mit dem Anliegen beschäftigt, noch ehe das Gesetz beschlossen ist. Es handle sich um «hochrangige Interessen», begründet die Gemeinde die Beschwerde. Die Lärmsanierung hätte aufgrund des Bundesrechts schon vor Jahren vorgenommen werden müssen.

Der kleine Streit vor dem grossen Streit

Für Sargans ist es gewissermassen die letzte Chance, um einen grösseren Rechtsstreit zu verhindern. Denn bereits bestehende rechtskräftig verfügte Herabsetzung der Höchstgeschwindigkeiten auf Kantonsstrassen und Gemeindestrassen erster Klasse bleiben bestehen.

Unmittelbar nach Annahme der Motion hatte Gemeindepräsident Jörg Tanner bereits eine Klage angekündigt, sollte das Gesetz die geplante Tempo-30-Zone im Sarganser Zentrum verhindern. Die Gemeinde kann jedoch erst gegen das Gesetz klagen, wenn es rechtskräftig ist. Der Gesetzesbeschluss dürfte den Tempo-30-Streit also nicht beenden – unabhängig davon, was die Beschwerde ergibt. Denn auch andernorts, etwa in St. Gallen, gibt es Unmut.