Schönheit in der Differenz | W&O

Leserbrief 22.10.2023

Schönheit in der Differenz

Das Lukashaus integriert seit bald 25 Jahren Menschen mit komplexer Behinderung im Dorf. Von Inklusion, wie es das Wort meint, also vollständige Teilhabe, spricht Leserbriefautor Hubert Hürlimann trotzdem nicht direkt.

Von Hubert Hürlimann
aktualisiert am 22.10.2023

«Inklusion ja, aber bis wohin?», Ausgabe vom 19. Oktober

Das Lukashaus integriert seit bald 25 Jahren (1999) Menschen mit komplexer Behinderung im Dorf und im allgemeinen Arbeitsmarkt. Wir begleiten in 26 Wohnungen und an drei Arbeitsstandorten in Grabs und Buchs Menschen mit komplexer Behinderung. Von Inklusion, wie es das Wort meint, also vollständige Teilhabe, würde ich nicht direkt sprechen.

Wir Menschen sind aber auch nie inklusive. Keinem Fussballer käme es in den Sinn, bei der Volleyballmannschaft mitzuspielen, nur damit er auch dort dazugehört oder Teilhabender ist. Dieses Wochenende sind Wahlen. Ich wette mit Ihnen, dass die KandidatInnen der einen Partei nicht bei der andern feiern. Man ist einfach gerne unter sich. Inklusive, ja, das sind die andern! Am Stammtisch wollen sie in der Regel nicht jeden Dahergekommenen bei sich sitzen lassen! Diversität ist so ein grosser Begriff. In der Schule sind Kinder mit ganz unterschiedlichen Fähigkeiten, Herkunftsfamilien, Ethnizitäten, Religion, Behinderung und komplexer Behinderung etc. Wir überfordern die Fachleute, wenn Inklusionsideologen glauben, sie könnten jede und jeden inkludieren.

In der UN-Behindertenrechtskonvention steht in Artikel 24, 1b) Menschen mit Behinderungen ihre Persönlichkeit, ihre Begabungen und ihre Kreativität sowie ihre geistigen und körperlichen Fähigkeiten voll zur Entfaltung bringen zu lassen; und in 2c) das Sicherstellen, dass angemessene Vorkehrungen für die Bedürfnisse des Einzelnen getroffen werden. Mir scheint, dass diese zwei Aussagen deutlich darauf hinweisen, dass es Sinn macht, den Sonderschulen das notwendige Geld zu geben und die Regelschule von Aufgaben, die sie fachlich und ressourcenmässig nicht wahrnehmen können, zu entlasten.

Das Lukashaus darf jedes Jahr zusammen mit Schülerinnen und Schülern aus der Mit­tel- und Oberstufe ein Weihnachtsspiel aufführen. Seit Jahren ein Erfolg und für alle Seiten sehr lehrreich und ein persönliches Erlebnis. Wir sollten kreativ sein und Formen finden, wo Menschen mit ihrer Vielfalt zusammenkommen, zusammen lernen und feiern können. Vielleicht gelingt es uns, indem wir Verantwortung übernehmen und wie es Hadija Harun-Oelker in ihrem Buch «Die Schönheit der Differenz» sagt: «… eine inklusive Gesellschaft aktiv mitzugestalten, denn ich wünsche mir eine Gesellschaft, in der die Differenz ‹die neue Norm› wird, weil darin die Schönheit liegt.»

Hubert Hürlimann, Geschäftsleiter Lukashaus Stiftung, Werdenstrasse 34, 9472 Grabs