Snowboarderin Julie Zogg kurz vor Peking 2022: «Es ist nervenaufreibend» | W&O

28.01.2022

Snowboarderin Julie Zogg kurz vor Peking 2022: «Es ist nervenaufreibend»

Alpin-Snowboarderin Julie Zogg will bei den Olympischen Spielen brillieren. Dafür nimmt sie viel in Kauf.

Von Reto Voneschen
aktualisiert am 28.02.2023
Eigentlich ist Julie Zogg eine ganz muntere Person. Offen, freundlich, lebenslustig. Wer ihr aber in den letzten Tagen begegnete, musste aber damit rechnen, dass sie sehr kurz angebunden war. Das hatte einen Grund: Olympische Winterspiele in Peking. Und da heisst es für alle Athletinnen und Athleten, ja nicht noch eine Covid-19-Ansteckung riskieren. Denn eine solche könnte das Ende der Olympischen Träume bedeuten, noch bevor die Spiele in China beginnen. Zogg war dabei rigoros. Sie sagt:
Ich wollte so wenige Menschen wie möglich treffen.
Selbst ihr Freund Christoph Hänggi musste aus der gemeinsamen Wohnung in Davos ausziehen. Für kurze Einkäufe verliess sie diese noch (mit einer FFP-2-Maske natürlich), ebenso für Trainings. «Es ist nervenaufreibend», sagt Zogg selber. Lange blieb das Schweizer Team vom Virus verschont. Beim Heim-Weltcup in Scuol Anfang Jahr wurde aber Jessica Keiser positiv getestet. Kurz danach auch Larissa Gasser. «Plötzlich herrschte Angst im Team», sagt Zogg. Jeder Coronatest wurde so zur Nervenprobe. «Dabei waren wir die Mannschaft, die im Weltcup wohl am vorsichtigsten war», so die Schweizer Teamleaderin.

Der Favoritenkreis in Peking ist gross

Mittlerweile hat sich die Situation gebessert. In Sexten im Südtirol bereiteten sich die Schweizer Snowboarder diese Woche auf die Spiele in China vor. Dort haben sie viel vor. Im Parallel-Riesenslalom holten die Schweizer Männer bei fünf Austragungen drei Mal den Titel, zuletzt Nevin Galmarini vor vier Jahren. Dazu kommen noch zwei Silbermedaillen. Bei den Frauen gewannen Daniela Meuli (2006) und Patrizia Kummer (2014) Gold. In diese Liste will sich am Dienstag, 8. Februar, in Secret Garden auch Julie Zogg eintragen. Als Dritte des Gesamtweltcups gehört die Fahrerin des SC Flumserberg zum Favoritenkreis. Eine Rolle, die ihr aber nicht behagt. «Es gibt viele Favoritinnen», entgegnet sie. Bei sieben Saisonrennen gab es sechs Siegerinnen, einzig die Österreicherin Daniela Ulbing gewann zweimal. Zogg siegte beim Saisonauftakt in Bannoje (Russland), ihr achter Weltcupsieg.

Tagesform wird wohl entscheiden

Das wertvollste Resultat war aber der 2. Platz in Scuol. Denn dort wurde ein Riesenslalom ausgetragen, genauso wie dann in Secret Garden. Zogg eilt aber der Ruf einer Slalomspezialistin voraus. Viermal gewann sie in dieser Disziplin die kleine Weltcup-Kristallkugel. Erst einmal – vor zwei Jahren in Pyeongchang – stand sie aber bei einem Weltcup-«Riesen» auf Rang 1. «Ich kann das langsam nicht mehr hören», seufzt Zogg, «ich weiss, dass ich alles fahren kann.» Sie vermutet, dass die Tagesform beim Olympischen Rennen entscheiden wird.
Und wenn ich einen guten Tag habe, werde ich auch vorne mitfahren.
Dass sie am berühmt-berüchtigten Tag X «liefern» kann, zeigte sie an der WM vor drei Jahren, als sie völlig überraschend zum Titel fuhr.
 Am 8. Februar findet das Olympia-Rennen statt.
Am 8. Februar findet das Olympia-Rennen statt.
Bild: Gian Ehrenzeller/Keystone

Schmaler Grat im Alpin-Snowboard

Vor einem Jahr bei den letzten Weltmeisterschaften schied Zogg aber ebenso überraschend in beiden Disziplinen in der ersten K.o.-Runde aus. Eine Woche später stand sie dafür am gleichen Hang in Rogla (Slo) beim Weltcup als Dritte wieder auf dem Podest. Der Grat ist schmal im Alpin-Snowboard. Oftmals ist schon die Qualifikation vorentscheidend. Denn je tiefer der Startplatz, umso grösser die Gefahr schon früh gegen einen starken Konkurrenten auf einem vermeintlich langsameren Kurs fahren zu müssen. Die Piste in Secret Garden gilt als selektiv, mit einem steilen Mittelteil und zwei flachen Teilstücken. Die Strecke sollte Zogg liegen. «Es wird keine Zufallssieger geben», ist sie überzeugt. Apropos Favoriten: Auch die amtierende Olympiasiegerin, Ester Ledecka, wird wohl wieder Snowboard und Alpin-Ski einpacken. Einmal trat die Tschechin, die ihren Fokus mittlerweile mehr auf die Speed-Disziplinen legt, im Snowboard-Weltcup an – und gewann auch gleich. Am Dienstag, 1. Februar, werden die Schweizer Snowboarder nach China abfliegen. Eine Woche haben sie dann Zeit, um den Jetlag abzulegen und sich an den Schnee zu gewöhnen. Viel werden die Olympioniken wohl nicht von den übrigen Wettbewerben mitbekommen. Zogg ist dies ganz recht. Anders als vor vier Jahren will sie sich ganz auf den Wettkampf konzentrieren. Schon damals war übrigens ein Virus ein grosses Thema. Der Norovirus legte einen Teil des Schweizer Snowboardteams flach. Auch Zogg war betroffen. Trotzdem wurde sie noch Sechste.

Rückkehr ins Sarganserland

Einst sagte die 29-Jährige, dass die Spiele in China wohl ihre letzten sein würden. Mittlerweile ist sie davon nicht mehr ganz überzeugt. «Ich weiss es noch nicht», antwortet die gebürtige Wartauerin auf die Frage, ob sie an den Olympischen Spielen 2026 in Norditalien antreten wird. «Der Reiz ist schon gross», sagt sie, «auch weil die Spiele so nah sind.» Ebenso reizvoll ist die WM 2025 im Engadin.
Wenn ich weiter an der Weltspitze mitfahren kann, dann wird das zum Thema.
Klar ist dafür, dass es nach diesen Olympischen Spielen wieder eine Veränderung in ihrem Leben geben wird. Nach zwei Jahren in Davos wird Zogg wieder ins Sarganserland zurückkehren. In Heiligkreuz hat sie zusammen mit ihrem Partner eine Wohnung gefunden. «Ich war sowieso schon oft unter der Woche in der Region, da ich in Kerenzerberg trainiere», erklärt Zogg den Wohnortswechsel. Vielleicht ein gutes Omen. Den WM-Titel hat sie geholt, als sie noch in Mels wohnte. Und an die Titelfeier auf dem Dorfplatz erinnern sich noch viele gerne. Dort zeigte sich eben auch, dass Julie Zogg eine muntere Person ist.