Vom Schlauchwagen zu Hightech: Vor 120 Jahren wurde der Feuerwehrverband gegründet | W&O

21.05.2022

Vom Schlauchwagen zu Hightech: Vor 120 Jahren wurde der Feuerwehrverband gegründet

Seit rund einem Jahr steht Marcel Senn aus Buchs dem Feuerwehrverband St. Gallen als Präsident vor. Wie ein Gespräch mit dem Kommandanten der Feuerwehr Werdenberg Süd zeigt, fand im Feuerwehrwesen in den letzten Jahren ein rasanter Wandel statt.

Von PD
aktualisiert am 28.02.2023
4188 Personen leisten im Kanton St. Gallen aktuell Feuerwehrdienst. 374 davon sind Frauen. Noch vor 20 Jahren waren es knapp 6000 Personen, welche der Feuerwehr angehörten. Entstanden ist die freiwillige Feuerwehr vielerorts aus Rettungs-Corps, die ihren Ursprung meist in Turnvereinen hatten. Eine erste Professionalisierung fand im Kanton St. Gallen im Jahre 1811 statt. Damals wurde festgehalten, dass jedes Früh- und Spätjahr eine Spritzenprobe durchgeführt werden müsse. Einige Gemeinden waren jedoch der Ansicht, dass diese Proben «entbehrlich» seien.

Buchser Kommandant war im Gründerkomitee

Zwischen 1870 und 1902 wurden die Regional- und Bezirksfeuerwehrverbände gegründet. Mit deren Gründung wurde auch der Ausbildung ein höherer Stellenwert beigemessen. Marcel Senn weiss dank einer Überlieferung aus dem Archiv:
Damals fanden regelmässig eintägige Kurse statt. Diese waren eine Kombination von Feuerwehrausbildung und Feuerwehrfest.
Initiiert wurde der Kantonal-Feuerwehrverband vom damaligen Feuerwehrkommandanten Kühnis aus Altstätten. Die Gründungsversammlung fand 1902 im Hotel Schiff in St. Gallen statt. «Wie ich während meiner Recherche erfahren habe, gehörte auch der damalige Feuerwehrkommandant von Buchs dem Gründerkomitee an. Dieser hiess ebenfalls Senn. Ob es sich dabei um einen Vorfahren von mir handelt, weiss ich allerdings nicht», sagt Marcel Senn und lacht.

Feuerwehr wird immer leistungsfähiger

Während die Feuerwehrangehörigen vor 120 Jahren noch mit einem Schlauchwagen zu Fuss oder mit einem Pferd zum Einsatzort ausrückten, stehen heute modernste Hilfsmittel zur Verfügung. «Insbesondere in den letzten 50 Jahren fand eine enorme technologische Entwicklung statt», weiss Marcel Senn. Die motorisierten Fahrzeuge wurden immer grösser und leistungsfähiger. Damit wird ein rascher und effizienter Einsatz gewährleistet. Während früher die Brandbekämpfung zur Hauptaufgabe der Feuerwehr gehörte, sind heute deren Aufgaben wesentlich vielfältiger. Dies zeigt auch ein Blick in die letztjährige Statistik. Von den 4096 geleisteten Feuerwehreinsätzen im Kanton St. Gallen fand nicht einmal bei einem Fünftel der Notrufe eine Brandbekämpfung statt. Lediglich bei 740 Einsätzen musste die Feuerwehr ein Feuer bekämpfen. Eindrücklich ist auch, wie viel Feuerwehrdienst im vergangenen Jahr im Kanton St. Gallen geleistet wurde. Insgesamt waren es über 30'400 Stunden.

Elektronische Hilfsmittel etablieren sich

Heute werden die Feuerwehrangehörigen via Handy oder Pager alarmiert. Mit der Alarmierung werden gleich auch Informationen zur Art des Einsatzes und dem Einsatzort übermittelt. Marcel Senn erklärt:
Die elektronischen Hilfsmittel haben sich durchgesetzt und etabliert. Sei es bei der Einsatzplanung oder bei der Zielführung im Einsatzfahrzeug.
Ein grosser Vorteil ist, dass dank den modernen Kommunikationsmitteln die Einsatzleitung rasch weiss, mit wie vielen Hilfskräften gerechnet werden darf. Nötigenfalls kann so innert Kürze die Alarmstufe erhöht oder eine Nachbarfeuerwehr aufgeboten werden. Vor nicht allzu langer Zeit erfolgte die Alarmierung viel schwerfälliger. «Oftmals waren es die Frauen der Feuerwehrkommandanten, die zu Hause das Festnetztelefon hüteten, die Notrufe rund um die Uhr entgegennahmen und die Feuerwehrangehörigen alarmierten», erinnert sich Senn. Später wurde die Alarmierung regionalisiert und heute erfolgt sie über die kantonale Notrufzentrale.

Kameradschaft bleibt trotz Professionalisierung

Die Feuerwehr war stets im Wandel und wird dies weiterhin bleiben. «In den nächsten Jahren dürften Alternativantriebe bei den Fahrzeugen vermehrt ein Thema werden. Erste E-Tanklöschfahrzeuge gibt es bereits», weiss Marcel Senn. Ebenfalls erkennbar ist eine Zentralisierung der Einsatzmittel und der Trend zu grösseren Organisationen mit entsprechenden Spezialisten. «Im Jahr 2002 gab es im Kanton noch 87 selbstständige Feuerwehren. Heute sind es noch deren 50», sagt Senn. Durch die Zusammenlegung von Feuerwehren können Einsatzmittel eingespart werden und die Tagesverfügbarkeit von Feuerwehrangehörigen wird erhöht. Während früher das Einsatzmaterial noch in der Freizeit «im Schuss» gehalten werden konnte, erfolgt dies heute meist durch einen professionellen Materialwart. Was bei all der Professionalisierung geblieben ist, ist die Kameradschaft unter den Feuerwehrangehörigen:
Bei vielen entstehen Freundschaften, die über den Feuerwehrdienst hinaus gepflegt werden.
Gerade in Stresssituationen ist es zudem wertvoll, wenn man seine Kameradin oder seinen Kameraden gut kennt. Entsprechend wichtig ist es, dass auch in Zukunft dem kameradschaftlichen Teil der nötige Raum erhalten bleibt.