Weihnachtsgedanken: Der unscheinbare König | W&O

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Weihnachtsgedanken: Der unscheinbare König

Heute ist Heiligabend. Wir erinnern uns daran, dass Jesus Christus vor über 2000 Jahren in einem Stall in Bethlehem geboren wurde.

Von Martin Frey
aktualisiert vor 7 Stunden
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Die Bibel sagt: In diesem Kind ist Gott selbst Mensch geworden. Er kam nicht als mächtiger Herrscher zur Welt, sondern als hilfloses Baby in einer Krippe.

Später lebte er als einfacher Zimmermannssohn, war für die Menschen da und starb schliesslich am Kreuz. Warum hat Gott diesen Weg gewählt? Warum kam er so arm und so verletzlich zu den Menschen? Der dänische Philosoph Søren Kierkegaard hat darauf mit einer Geschichte geantwortet:

«Es war einmal ein König, der liebte ein Mädchen aus einfachen Verhältnissen. Der König war wie kein anderer König. Jeder Staatsmann zitterte vor seiner Macht. Niemand wagte es, auch nur ein Wort gegen ihn zu sagen, denn er hatte die Macht, alle Gegner zu besiegen. Und doch wurde gerade dieser mächtige König durch die Liebe zu einem einfachen Mädchen weich.

Wie konnte er ihr seine Liebe beweisen? Auf seltsame Art und Weise waren ihm gerade durch sein Königsein die Hände gebunden. Wenn er sie nun in seinen Palast bringen und sie mit Juwelen krönen und in königliche Gewänder kleiden würde, dann würde sie sich bestimmt nicht wehren, aber würde sie ihn auch lieben? Selbstverständlich würde sie sagen, dass sie ihn liebe, aber würde sie es auch so meinen? Oder würde sie mit ihm in ständiger Angst leben und dem Leben nachtrauern, das sie zurückgelassen hatte? Wie konnte er ihrer Liebe gewiss werden?

Wenn er in seiner königlichen Kutsche, auf der eine bewaffnete Wache die leuchtende Fahne emporhalten würde, zu ihrer ärmlichen Hütte fahren würde, dann wäre sie sicher überwältigt. Er wollte sie aber nicht als demütige Untertanin. Er wollte eine Geliebte, eine Partnerin haben. Sie sollte vergessen, dass sie eine einfache Magd war, ihre gemeinsame Liebe sollte die Kluft zwischen ihnen überbrücken.

Nur die Liebe vermag das Ungleiche gleichmachen. Der König, davon überzeugt, dass er das Mädchen nicht erhöhen konnte, ohne ihre Freiheit zu zerstören, entschloss sich, sich selbst zu erniedrigen. Er kleidete sich als Bettler und näherte sich so der Hütte, bekleidet nur mit einem abgetragenen Mantel, der an ihm herunterhing. Es war nicht nur eine Verkleidung, sondern eine neue Identität, die er da annahm. Er verwarf den Thron, um ihre Hand zu gewinnen.»

Kierkegaard lässt offen, wie die Geschichte ausgeht. Man weiss nicht, ob das Mädchen den Bettler liebgewann und ob der König je wieder auf seinen Thron zurückkehrte. In einer späteren Version gibt es ein gutes Ende: Das Mädchen verliebt sich in den Bettler, und ihre Liebe bleibt auch dann bestehen, als er ihr zeigt, wer er wirklich ist. Sie geht mit ihm zurück in den Palast und wird seine Frau und Königin.

Mensch geworden, ohne Macht, ohne Glanz

So wie der König in der Geschichte hat Gott in Jesus Christus gehandelt. Er kam ohne himmlische Macht und ohne äusseren Glanz in diese Welt. Er wurde Mensch, um den Menschen nahe zu sein und ihre Liebe zu gewinnen. Gott will nicht gefürchtet werden, sondern geliebt. Darum legt er in Jesus seine göttliche Macht ab und begegnet uns auf Augenhöhe.

Diese Frage stellt Gott den Menschen damals wie heute: Kannst du mich lieben? Den Hirten auf dem Feld, den Weisen aus dem Morgenland und uns heute. Als Kind in der Krippe kommt Gott uns so nahe, dass wir keine Angst vor ihm haben müssen.

Wenn wir auf Jesus schauen, auf sein Leben, seine Nähe zu den Menschen und seine Hingabe, kann Liebe zu Gott entstehen und wachsen. Genau dazu lädt Weihnachten alle Menschen ein.

Pfarrer Martin Frey, Grabs-Gams