Zank um unbediente 24-Stunden-Shops: «Die St.Galler Regierung stiftet unnötig Verwirrung» | W&O

Toggenburg/Region vor 8 Stunden

Zank um unbediente 24-Stunden-Shops: «Die St.Galler Regierung stiftet unnötig Verwirrung»

Müssen sich Selbstbedienungsläden wie die Teo der Migros oder die Toggenburgshops an Ladenöffnungszeiten halten, auch wenn sie kein Verkaufspersonal beschäftigen? Die Frage bleibt nach dem Nein zu liberalisierten Ladenöffnungszeiten offen. Die St.Galler Regierung lehnt eine Motion ab, die eine einheitliche Regelung fordert.

Von Kaspar Enz
aktualisiert vor 2 Stunden
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Im Mai lehnte das St.Galler Stimmvolk eine Liberalisierung der Ladenöffnungszeiten ab. Seither schliessen alle Läden um 19 Uhr, spätestens aber um 21 Uhr. Alle Läden? Nein. Im Toggenburg bleiben sechs Läden die ganze Nacht offen.

Der letzte dieser Shops öffnete im März seine Türen – ganz offiziell bewilligt. Denn diese Toggenburgshops haben digitale Selbstbedienungskassen statt Verkaufspersonal. Deshalb fallen sie auch nicht unter das Ladenöffnungsgesetz. So lautet zumindest die Argumentation der Betreiber und der zuständigen Gemeinden – und so lautete auch ein Abschnitt im abgelehnten Ladenöffnungsgesetz.

Die Regierung ist allerdings anderer Meinung: Wie sie in der Botschaft zum neuen Ladenöffnungsgesetz schrieb, sind Verkaufslokale in geschlossenen Räumen Läden und müssen sich so an die Schliessungszeiten halten. An dieser Auslegung orientierte sich auch die Stadt St.Gallen bei der Bewilligung zweier unbedienter Shops – sie müssen um 21 Uhr schliessen.

Doch auch für die zuständige Stadträtin Sonja Lüthi ist die Lage derzeit unbefriedigend. Es bestehe in dieser Sache eine Rechtsunsicherheit, beklagte sie mit drei Mitunterzeichnenden in einer Motion. Diese forderte die Regierung auf, die Lage zu klären – und zwar so, dass solche Läden im ganzen Kanton 24 Stunden geöffnet haben dürfen.

Regierung will keinen Nachtrag

Das würde nicht nur Rechtssicherheit schaffen, sondern auch Rechtsstreitigkeiten vermeiden, so die Motion. Doch die Regierung lässt diese Argumente in ihrer Antwort nicht gelten. Sie sieht die Motion vielmehr als Zwängerei. Die Situation der 24-Stunden-Shops sei im Abstimmungskampf kein Nebenschauplatz gewesen, sondern Teil der Auseinandersetzung. «Es ist demnach nicht angebracht, unmittelbar nach dem klaren Ausgang der Abstimmung erneut einen Nachtrag zum Gesetz vorzulegen», schreibt die Regierung.

Der Regierungsrat empfiehlt dem Kantonsrat deshalb, nicht auf die Motion einzutreten – und beharrt auf seiner Auslegung. Vom Gesetz ausgenommen gewesen seien bisher nur unbediente, räumlich nicht abgeschlossene Verkaufsstellen, wie zum Beispiel Hofläden.

Sobald für den Selbstbedienungsverkauf eigentliche Lokale eingerichtet würden, sind die Öffnungszeiten einzuhalten.

Dabei nimmt auch der Regierungsrat zur Kenntnis, dass in einzelnen Gemeinden bereits solche Selbstbedienungsshops 24 Stunden offen sind. Der Vollzug des Ruhetags- und Ladenschlussgesetzes (RLG) sei Sache der Gemeinden – und damit auch der Entscheid darüber, ob diese Läden ihre Öffnungszeiten einschränken müssten, sagt Stefan Wehrle, Leiter des Rechtsdiensts des Volkswirtschaftsdepartements. «Ebenfalls ist es Sache der zuständigen Gemeindebehörde, über ein Baugesuch für einen neuen derartigen Laden zu entscheiden.»

Im März wurde der neueste Toggenburgshop in Unterwasser eröffnet – auch er hat 24 Stunden offen.
Im März wurde der neueste Toggenburgshop in Unterwasser eröffnet – auch er hat 24 Stunden offen.
ZVG

Teos warten auf Entscheid

Konkreteres dürfte erst zu erfahren sein, wenn das Kantonsparlament über die Sache beraten hat. Doch ganz frei seien die Gemeinden bei ihrer Entscheidung dann doch nicht, macht Wehrle klar. «Gegen erhebliche Vollzugsdefizite könnte die Regierung gegebenenfalls aufsichtsrechtlich einschreiten.»

Die Frage ist allerdings aktuell brisant: Die Migros Ostschweiz hat vor kurzem ein Baugesuch für einen weiteren Teo in Altenrhein eingereicht. Dieser Selbstbedienungsshop soll ebenso durchgehend offen sein wie die Teos in anderen Kantonen. Und auch in der Stadt St.Gallen bemüht sich die Migros weiter um durchgehende Öffnungszeiten für den Teo-Shop im Riethüsli-Quartier.

«Das stört mich unglaublich»

Der Toggenburger SVP-Kantonsrat Ivan Louis gehört zu den Gründern der unbedienten Toggenburgshops.
Der Toggenburger SVP-Kantonsrat Ivan Louis gehört zu den Gründern der unbedienten Toggenburgshops.
Benjamin Manser

Höchst unbefriedigend ist die Antwort der Regierung auch für Ivan Louis, SVP-Kantonsrat und Betreiber der Toggenburgshops. «Die Regierung stiftet mit ihrer Antwort einmal mehr unnötig Verwirrung», sagt er. Eine Verwirrung, die der Regierungsrat selbst losgetreten hatte, als er seine Auslegung 2024 in die Botschaft zum neuen RLG aufnahm. «Er hatte damit völlig unnötig eine alternative Rechtsauffassung in den Raum gestellt.» Eine Auslegung, die der gelebten Praxis widerspricht, wie Louis betont: Zu diesem Zeitpunkt hatten bereits mehrere St.Galler Gemeinden durchgehend geöffnete Toggenburgshops bewilligt.

Diese Verwirrung führe zu Rechtsunsicherheit und zur Ungleichbehandlung verschiedener Marktteilnehmer. «Und das stört mich unglaublich», sagt Louis. Und es sei – neben der hohen Regulierungsdichte und schwerfälligen Verfahren – einer der Gründe, weshalb er «als kantonaler Politiker von einer unternehmerischen Tätigkeit im Kanton St.Gallen abraten muss».

Im Notfall Türen raus

Aus unternehmerischer Sicht könne sein Unternehmen die wechselhafte Haltung der Regierung mit grosser Gelassenheit hinnehmen, sagt Louis. Denn die Toggenburgshops und deren Öffnungszeiten wurden von den Standortgemeinden unter dem geltenden Gesetz bewilligt – und am geltenden Gesetz ändere sich nichts, auch wenn der Kantonsrat der Regierung folgt und die Motion ablehnt.

Sollte eine dieser Gemeinden trotzdem die Haltung der Regierung durchsetzen wollen, stelle man sich dem juristischen Verfahren, sagt Louis. Sollten die Betreiber unterliegen, könnte man einfach die Türen entfernen. «Das müsste genügen, um nicht mehr als abgeschlossener Raum zu gelten.»