Bald ein Wolfsrudel im Alpstein? | W&O

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Bald ein Wolfsrudel im Alpstein?

Die Bauern im Appenzellerland stehen wegen der steigenden Wolfspopulation unter Druck.

Von Konstantin Rauxloh
aktualisiert vor 7 Stunden
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Die Rückkehr des Wolfs in die Ostschweiz führt zu Diskussionen und Verunsicherung. Besonders in den Bergregionen stehen Bauernfamilien vor neuen Herausforderungen. Im Gespräch mit dem Präsidenten des Bauernverbands Appenzell Ausserrhoden, Beat Brunner, wird deutlich, wie stark das Thema Wolf den Alpbetrieb beeinflusst und wie begrenzt die Handlungsmöglichkeiten vieler Landwirte sind.

«Eine Frage der Zeit, bis es ein Rudel geben wird»

Laut Brunner vermehrt sich die Wolfspopulation in der Schweiz exponentiell. Ohne zusätzliche Regulierungsmassnahmen sei es eine Frage der Zeit, bis es auch im Alpsteingebiet ein Rudel geben wird. «Dies bereitet mir und unseren Bauernfamilien grosse Sorgen», sagt Brunner. Die Ungewissheit, wann und wo der nächste Wolfsriss geschieht, sorge vielerorts für Anspannung.

Wölfe sind äusserst mobil. Bis zu 80 Kilometer können sie an einem einzigen Tag zurücklegen. Diese Fähigkeit macht es fast unmöglich, ihr Verhalten vorherzusehen oder gezielt einzugreifen. Besonders für Landwirtschaftsbetriebe bedeutet das eine grosse Unsicherheit. Beat Brunner sagt:

Grundsätzlich muss man damit rechnen, dass jederzeit und überall Wolfsrisse auftreten können.

Auch ein umfassender Herdenschutz stosse dadurch an seine Grenzen. Eine ständige Überwachung der Tiere, zusätzlich zum Herdenschutz, sei weder personell noch organisatorisch machbar. Die Angst vor unerwarteten Angriffen begleitet die Bauern somit dauerhaft.

Auf den Alpen in Appenzell Ausserrhoden würde vorwiegend Rindvieh gesömmert werden, die eher weniger von Rissen betroffen seien. Aber einige Bauern halten auch Ziegen, die nun nachts wegen der Wölfe eingesperrt werden müssen. Geschützt werden die Herden im Alpsteingebiet grundsätzlich durch fachgerechte Zäune. Dies sei laut Brunner aber je nach Topografie im steinigen Gebiet nicht immer möglich. Zudem könne es auch trotz fachgerechten Schutzes zu Rissen kommen, dies hat die Vergangenheit gezeigt.

In der Alpenregion von Ausserrhoden gibt es keine Schafalpen, was die Möglichkeiten zum Schutz von Nutztieren einschränkt. Laut Beat Brunner könnten aber im Allgemeinen Herdenschutzhunde eine Option sein – jedoch nur für Schafherden, da es «für Rindvieh und Ziegen nebst Zäunen nicht viele Optionen gibt». Eine weitere Möglichkeit, die in Erwägung gezogen werden kann, ist der Einsatz von Hofhunden, «die abschreckend wirken können», um potenzielle Raubtiere fernzuhalten.

«Bei uns spielt Tradition eine grosse Rolle»

Rindvieh kann neben Zäunen nicht weiter geschützt werden. Das habe bis jetzt noch keine grossen Probleme verursacht, was sich aber aufgrund der steigenden Population noch ändern könnte. Schafalpen habe man in Appenzell Ausserrhoden laut Brunner praktisch keine und Ziegen dürfen meist nur noch tagsüber auf die Weide, weil Wölfe so gut wie nur nachts angreifen.

«Bei uns spielt Tradition eine grosse Rolle», sagt Brunner. Die Ziegen würden zu dem Senntum gehören und kämen somit auf die Alp. Das Senntum ist eine traditionelle Form der Alpwirtschaft, die vor allem im Appenzellerland gepflegt wird. Es umfasst das Weiden von Vieh auf den Alpen im Sommer und ist eng mit einer besonderen Lebensweise, Kultur und Handwerkstradition verbunden.

Landwirte müssen noch mehr Aufwand betreiben

Ausserhalb des Kantons Ausserrhoden stellen sich Schafhalter jedes Jahr die Frage, ob sie ihre Alpen noch bestossen sollen. Brunner sagt:

Jedes Jahr fallen neue Alpen weg, was für die Biodiversität sehr bedauerlich ist.

In Appenzell Ausserrhoden sei das glücklicherweise noch kein Thema.

Einen intakten Herdenschutz zu betreiben, bedeutet einen beträchtlichen Mehraufwand, der nicht entschädigt ist und von den Landwirten selbst getragen werden muss. «Ziegen hat man früher nicht eingezäunt», erinnert sich Brunner zurück, «sie sind in der Nacht die Felswand des Säntis hochgestiegen und morgens, wenn es wärmer wurde, sind sie wieder selbstständig in die Stallungen zurückgekommen.»

Alternativen gebe es keine, entweder man arrangiere sich damit oder die Tiere müssen auf dem Heimbetrieb bleiben, auf dem sie aber genauso den Grossraubtieren ausgesetzt sind und folglich ebenfalls geschützt werden müssen.