Betrug und Misswirtschaft verhalfen zu luxuriösem Lebensstil – nun steht der Mann vor Gericht | W&O

29.09.2022

Betrug und Misswirtschaft verhalfen zu luxuriösem Lebensstil – nun steht der Mann vor Gericht

Vor dem Kreisgericht Werdenberg-Sarganserland hat sich ein Mann aus der Region zu verantworten, der als Finanzjongleur mit ganz grosser Kelle angerührt haben soll. Ihm werden Millionenbetrügereien vorgeworfen, meist zu Lasten argloser Opfer.

Von REM
aktualisiert am 28.02.2023
Die Dimension des Falles zeigt sich bereits an der für die örtlichen Verhältnisse beispiellosen Dauer der Verhandlung. Volle sieben Verhandlungstage sind im Oktober in Mels angesetzt. Die Anklageschrift umfasst über 120 Seiten. Im Raum stehen vier Dutzend Fälle von Betrug, Veruntreuung und Misswirtschaft. Zudem soll der Angeklagte gefälschte Euros im Nennwert von über einer halben Million besessen und Wohnungen zum WEF in Davos vermietet haben, obwohl sie ihm gar nicht gehörten.

2009 schon einmal verurteilt

Die Deliktsumme liegt laut Anklage bei 3,9 Millionen Franken und habe dem Beschuldigten primär zu einem luxuriösen Lebensstil verholfen. Zudem seien Gelder ins organisierte Verbrechen geflossen, namentlich nach Südafrika, China und Italien. Der Angeklagte ist wegen ähnlicher Delikte bereits 2009 zu einer sechsjährigen Haftstrafe verurteilt worden. Im aktuellen Fall gilt die Unschuldsvermutung.

Verlockende Immobilienobjekte waren Luftnummern

Dreh- und Angelpunkt der Vorwürfe ist eine von ihm geführte AG, für die der Jurist mit Bachelorabschluss, zwischen 2016 und 2019 mit Mitteln der Blendung rücksichtslos Investorengelder zusammengetrommelt haben soll. Dazu präsentierte er verlockend scheinende Immobilienobjekte, die in Wahrheit Luftnummern waren. Seine Opfer fand er laut Anklage vornehmlich im privaten Umfeld, das er mit gediegenem Auftreten, routiniertem Businessjargon, erlesenen Kleidern und Autos der Luxusklasse beeindruckte. Dies vorab in Graubünden, aber auch in St.Gallen, Liechtenstein und der Innerschweiz.

Einfache Leute abgezockt?

Zudem gab er das stets überzeugende Bild eines treusorgenden Ehemanns ab, verwies dezent auf seinen hohen militärischen Rang und seine früheren Tätigkeiten für renommierte Firmen und einheimische Banken, so die Staatsanwaltschaft weiter. Als moralisch besonders verwerflich erscheinen die vielfachen Betrüge gegenüber Menschen aus seinem persönlichen Umfeld. Nach seiner bedingten Haftentlassung 2015 habe er dazu in einer Bündner Skischule angeheuert und mit gepflegtem Auftreten, gehobenem Lebensstil und ostentativer Grosszügigkeit das Bild eines Mannes von Welt erzeugt. So erschlich er sich das Vertrauen etwa von Skilehrern, Elektrikern, einer Coiffeuse oder eines Schlossers.

Blenden, was das Zeug hält

Durch eine aufwendig inszenierte HV in Bad Ragaz festigte er das Bild eines grundsoliden, aufstrebenden Zustandes seiner AG. Deren vermeintlich rosige Zukunft lockte folglich weitere Anleger, die ihm fünf- oder gar sechsstellige Beträge anvertrauten. Die Neumittel aber flossen, statt in die gepriesenen Immobilien stets unmittelbar in seinen eigenen Taschen. Als das Karussell immer mehr Fahrt aufnahm und neue Zuflüsse brauchte, suchte er mittels Anzeigen, etwa in der NZZ, neue Anleger.
Wenn Gottvertrauen nicht mehr reicht, und es schwierig wird Renditen zu erzielen.
So lautete das Motto, das nicht nur Geldgierige lockte, sondern wohl auch ein unfreiwilliges Licht auf das sonnenhafte Selbstbild des Urhebers warf.

Wohnung während WEF für 75'000 Franken vermietet

Als sich die Lage zuspitzte, hat der Mann zum WEF in Davos mehrfach Wohnungen vermietet, über die er gar nicht verfügen konnte. Dieses Vorgehen vermittelt Einblicke in die sonst eher verschwiegen behandelten Marktpreise während des WEFs. So konnte er einem indischen Kunden eine 6-Zimmer-Wohnung für 75'000 Franken pro Woche andrehen.

Berufsverbot in Aussicht

 Es stellte sich heraus, dass die Euro gefälscht sind.
Es stellte sich heraus, dass die Euro gefälscht sind.
Bild: Martin Ruetschi/Keystone
Kurz bevor das Lügengebilde auseinanderflog, war offenbar selbst die Mafia auf die Annonce mit dem «Gottvertrauen» aufmerksam geworden. Via Mittelsmann in Mailand sollte eine halbe Million investiert werden, hiess es. Doch nach der persönlichen Abholung stellte sich die Knete aus Italien als gefälscht heraus. Wenige Monate später klickten die Handschellen, der Mann sitzt seitdem in Haft. Die Anklage fordert zehn Jahre Haft und ein faktisches Berufsverbot samt Mitteilung an die Finma. Der Verkaufserlös eines Alfa Romeos soll dem Kanton St.Gallen zufallen. Die Verteidigung wird ihre Anträge an Schranken stellen.