Die Schweissperlen auf der Stirn stehen im Widerspruch zur ruhigen Stimme, mit der der 25-Jährige auf die Fragen der Richterin antwortet. Sie könnten Vorboten sein auf einen sich anbahnenden Gefühlsausbruch, auf eine aufrichtige Entschuldigung bei den Eltern des Opfers, die nur wenige Meter hinter ihm Platz genommen haben.
Könnten. Denn der somalische Staatsangehörige, der seit Geburt in der Schweiz lebt und in akzentfreiem Bündnerdialekt spricht, bleibt gelassen, auch angesichts der drohenden Strafe, die unter anderem die Rückkehr in eine Heimat bedeuten könnte, in der er nie lebte.
Der Kopf des Vaters sinkt derweil immer weiter in Richtung Tischfläche, die Mutter lässt sich von ihrer Anwältin ein Taschentuch ums andere zustecken. Einstige Freundinnen des Opfers krümmen sich auf den Zuschauerstühlen vor stummen Weinkrämpfen. Der Mittwoch am Kreisgericht Werdenberg-Sarganserland katapultierte sie für mehrere Stunden zurück in eine Zeit, in der sie rückblickend gern eingegriffen hätten - hätten sie denn von den Taten, die sich in der Wohnung in Buchs abspielten, gewusst.
Spätestens Anfang Dezember 2020 soll der Angeklagte seine Freundin zu schlagen begonnen haben. Zunächst mit Händen und Füssen, später auch mit Besenstielen und dem Gestänge der Garderobe.
Die Zeitpunkte basieren auf Notizen, in denen das Opfer festgehalten hat, was geschehen war. So schrieb sie etwa, ihr Freund beschimpfe auch die einjährige Tochter als «Missgeburt, als wertloses Scheisskind». Eingreifen würde sie nicht mehr:
Nur für sie war es die grosse Liebe
Um die Dynamik der Beziehung zu verstehen, muss man die Anfänge kennen. Getroffen hatten sich Opfer und Angeklagter erstmals 2014 - sie 14, er 17. Die beiden wurden ein Paar, obschon sie immer wieder Pausen einlegten. Gemäss Anklageschrift war der Beschuldigte die erste Liebe der Verstorbenen, eine grosse noch dazu. Doch die Partnerschaft unterlag von Beginn weg einem Ungleichgewicht. Während sie ihn vergötterte, erniedrigte er sie immer häufiger, bezeichnete sie als dumm oder naiv. Obschon der Beschuldigte die Beziehung mehrmals beendete, gelang es seiner Freundin, ihn zurückzugewinnen.Beschimpfungen im Wochenbett
Als der Angeklagte im Frühling 2019 endgültig Schluss machen wollte, verkündete ihm das Opfer kurz darauf die Schwangerschaft. Die beiden rauften sich zusammen und die werdende Mutter zog in seine Wohnung. Damals sei längst absehbar gewesen, dass sich die beiden in verschiedene Richtungen entwickeln würden, sagt der Angeklagte. «Ich kam auf den Geschmack, Karriere zu machen», ergänzt er, der seine Lehre einst abgebrochen hatte und in der Pizzeriakette, in der er jobbte, zum Filialleiter befördert wurde. Die Geburt der Tochter änderte wenig an seiner Geringschätzung für die Partnerin. Regelmässige Wutausbrüche waren an der Tagesordnung. Der Angeklagte bezeichnet die anfängliche Elternzeit zwar als gut; Chatverläufe zeigen anderes. Zwei Tage nach der Geburt schrieb er seiner Partnerin ins Spital:So en scheiss Esel wo nüt uf d'Reihe bringt, miteme Gedächtnis vomene 80-jöhrige Demente. Du scheiss Mensch!Trotz unzähliger Nachrichten in diesem Stil habe das Opfer immer wieder eingelenkt, sagt der Staatsanwalt.
Selbst wenn er sie als ‹Nutte› beschimpfte, gab sie sich die Schuld daran. Als hätte sie eine Art Stockholm-Syndrom entwickelt, brachte sie dem Peiniger gegenüber Verständnis auf.Oberstes Gebot war, seine Anrufe so rasch als möglich zu beantworten. So hatte sie ihren Freund auch nicht unter seinem Namen gespeichert, sondern unter «Sofort, rasch und immer abnehmen!».
Die Tochter nannte er «Missgeburt» und «Scheisskind»
Der Angeklagte schildert die Zeit nach der Geburt anders. Er habe sich darum bemüht, Geld für die Familie nach Hause zu bringen. Doch der zunehmende Druck bei der Arbeit setzte ihm zu, er konnte kaum noch schlafen, sodass sein Cannabiskonsum eskalierte. Schliesslich waren es täglich Joints im zweistelligen Bereich.Mein linkes Knie sieht bereits aus wie das eines Elefanten. Erstaunlich ist aber: Ich werde immer stärker, die Schmerzen der Schläge lassen schneller nach.