«Ich komponierte nicht eine einzige Note» – Angelo Branduardi kommt nach Vaduz | W&O

Liechtenstein 12.04.2023

«Ich komponierte nicht eine einzige Note» – Angelo Branduardi kommt nach Vaduz

Cantautore Angelo Branduardi (73) schwärmt von der Natur, Hildegard von Bingen und der Rückkehr auf die Konzertbühne. Am 22. April kommt er nach Vaduz.

Von Reinhold Hönle
aktualisiert am 12.04.2023

Am 22. April veranstaltet das TAK ein Konzert mit dem grossen italienischen Liedermacher Angelo Branduardi. Seine Musik ist eine unverkennbare Mischung aus mystisch anmutenden Klängen, Italo-Pop, Klassik, Ethno-Folk und Lyrischem und hat ihm über Jahrzehnte einen treuen Stamm von Fans erhalten.

Angelo Branduardi, was fasziniert Sie an Hildegard von Bingen, der Ihr aktuelles Album gewidmet ist?
Sie war Äbtissin, Gelehrte und Künstlerin, die im 12. Jahrhundert Texte und Musik schrieb, was im Mittel­alter für eine Frau die grosse Ausnahme war. Wir haben mit «Il Cammino dell’ Anima» (Der Weg der Seele) das schönste und am besten erhaltene Werk der später heiliggesprochenen Mystikerin ein wenig moderner arrangiert und führen es im ersten Teil des Konzerts auf. Danach folgen meine bekanntesten Lieder und vieles mehr.

Wie werden sich Hits wie «La pulce d’ aqua» oder «Alla fiera dell’ est» von den beinahe fünfzigjährigen Originalfassungen unterscheiden?
Gar nicht. Wenn du mal etwas Gutes gemacht hast, ist es sinnlos, es zu verändern. Ich habe es in der Vergangenheit mit neuen Versionen versucht, doch sie waren alle schlechter. Und das Publikum hat die Originalfassungen sowieso am liebsten! (lacht)

Angelo Branduardi würde gerne ein Orchester dirigieren.
Angelo Branduardi würde gerne ein Orchester dirigieren.
PD

Gibt es etwas, was Sie auch als Künstler von 73 Jahren noch lernen möchten?
Ich würde gerne ein Orchester dirigieren, aber das wird nie passieren. Ich tue es zwar manchmal im Studio, wenn ich ein Album aufnehme, doch das ist dann nicht so schwierig, weil es alles Musiker sind, die ich kenne und die mich kennen. Vor einem Symphonieorchester zu stehen, wäre ganz etwas anderes. Da müsste man das Dirigieren studiert haben.

Wie sehr haben Sie als leidenschaftlicher Live-Musiker unter der Pandemie gelitten?
Es war eine schlimme Zeit, für alle. Ich konnte weder Musik hören noch Musik machen.

Ich habe zwei Jahre lang nicht eine einzige Note komponiert! Ich hatte einfach keine Lust.

Es war seltsam, da Musik doch guttun, sogar therapeutisch wirken könnte. So musste ich – da man in meinem Alter schnell einrostet – für die Tournee wieder sehr viel üben. Aber ich will mich nicht beklagen. Meine Frau und ich sind gesund geblieben, hatten zu Hause unsere Ruhe, viel Platz und die Hunde.

Sie wohnen auf einem Hügel zwischen Luino und Lugano. Was gefällt Ihnen an dieser Lage?
Unser Haus liegt in einem Nationalpark, wir haben einen grossen Garten und Wald, in dem es viele Tiere gibt. Und noch mehr Stille. Diese Gegend ist für mich mein kleines Kanada.

Was unternehmen Sie in der Natur?
Nun, ich bin kein grosser Spaziergänger oder Wanderer. Aber ich geniesse die Aussicht. Von unserer Veranda aus sehe ich den Monte Rosa ebenso wie den Lago Maggiore. Für mich ist das der ideale Ort, um auf musikalische Ideen zu kommen, obwohl ich am Meer, in Genua, aufgewachsen bin.

Querschnitt durch das Repertoire

Sänger und Multiinstrumentalist Angelo Branduardi wurde am 12. Februar 1950 geboren, wuchs in Genua auf und machte am dortigen Konservatorium sein Violinendiplom, ehe er in Mailand zu studieren begann und dabei seine Frau und spätere Koautorin Luisa Zappa kennen.

In der zweiten Hälfte der Siebzigerjahre landete er mit «Alla fiera dell’est», «La pulce d’aqua» und «Cogli la prima mela» Hits, die ihn über die Landesgrenzen hinaus bekannt machen. Nach den acht «Futuro Antico»-CDs, die auf denen er seit 1996 Musik aus Mittelalter und Renaissance interpretiert hat, veröffentlichte er 2019 das Album «Il Cammino dell’Anima», das dem visionären Werk Hildegard von Bingens gewidmet ist.

Die Konzerte der aktuellen Tournee bestehen aus ihrer Musik und einem Querschnitt durch sein gesamtes Repertoire.

Wie kommt es, dass Ihre Tochter, die Cellistin ist, in Kinderkrankenhäusern auftritt?
Wenn sie in einem Orchester spielt, fühlt sie sich nutzlos, im Krankenhaus macht es ihr und den kranken Kindern viel Spass.

Gibt es Schweizer Künstler, mit denen Sie schon zusammengearbeitet haben?
Ja, Andreas Vollenweider. Er ist ein grossartiger Musiker und ein wundervoller Mensch. Wir haben in Lugano und Trento Konzerte gegeben. Es ist schon einige Jahre her, aber ich habe sie in sehr, sehr schöner Erinnerung.

Wie geht es bei Ihnen nach dieser Tournee weiter?Ich habe gerade das Angebot bekommen, einen Soundtrack zu komponieren, aber das ist noch sehr frisch. Es soll ein schöner Film zu sein, aber die Frühlings- und Herbsttourneen lassen mir nicht viel Zeit. Dabei würde ich gerne zusagen, da mir «Momo» und andere Filmmusik, die ich in den Achtzigerjahren geschrieben habe, viel Freude machte. Zuerst möchte ich aber wieder einmal nur auf der Bühne stehen und mit Freunden musizieren!

Konzert der «Il Cammino dell’  Anima»-Tour am Samstag, 22. April, 20 Uhr, Vaduzer Saal, Vaduz. Vorverkauf unter www.tak.li oder Telefon +423 237 59 69