Würden die bürgerlichen Reihen von SVP, FDP und Mitte-EVP geschlossen bleiben? Das war die grosse Frage vor der Spardebatte im St.Galler Kantonsrat. Die Antwort zeichnete sich rasch ab und blieb bis zum Sitzungsende beim Stand von 50 (von 87) beschlossenen Massnahmen unverändert: Ja, sie blieben geschlossen. Und in den zwei Fällen, wo einige Mitte- und FDP-Ratsmitglieder ausscherten, im Behindertenbereich und im Schulsport, blieben die Bürgerlichen trotzdem in der Mehrheit.
Ein komplett überraschungsfreier Verlauf also, und die vormittäglichen Aufhellungen am trüben Nebeltag sollten für die linksgrüne Minderheit von SP, Grünen und teilweise GLP als kurzzeitiges Trugbild erweisen. Alle ihre Streichungsanträge wurden abgeschmettert, egal ob von der Fraktion oder einzelnen Ratsmitgliedern eingereicht und egal ob teilweise zugunsten der Regierung. Auch da, wo sich Linksgrüne gegen Budgetkürzungen von Institutionen wehrten, die ihnen sonst wenig nahestehen – etwa für die HSG.
«Das Parlament muss nachbessern»
Eine derart «krasse Blockbildung» habe man in den letzten Jahren nie erlebt, stellte SP-Grüne-GLP-Fraktionschef Dario Sulzer fest. Es gebe «keine Nuancen, keine Mitte», die bei manchen sozialpolitischen Massnahmen ausschere. Entsprechend wirkungslos verhallten alle Warnungen, die jüngsten Steuersenkungen führten zu Abbaumassnahmen.
Vom Schlagwort «Kahlschlag», mit dem die Linke das Entlastungspaket bekämpft, sei man «99 Prozent entfernt», sagte Franziska Steiner-Kaufmann namens der Mitte-EVP. Das Sparziel von 180 Millionen Franken – oder 179 Millionen gemäss Fiko – betrage gerade einmal 1 Prozent des Staatsbudgets von 6 Milliarden Franken. «Und wir bauen sogar noch Stellen aus.» Weil die Regierung die politische Prägung vermissen liess, müsse das Parlament nachbessern. FDP-Fraktionssprecher Raphael Frei blies ins gleiche Horn:
Echtes Sparen führt dazu, endlich die Staatsquote zu senken.
Finanzchef Marc Mächler unterstrich die Notwendigkeit des Entlastungspakets und konterte die Kritik des Verbandes der St.Galler Gemeindepräsidien (VSGP). «Wie man bei einem Anteil der Gemeinden von 14 Millionen sagen kann, die Gemeinden tragen den Grossteil der Belastung, ist mir schleierhaft.» Der Anteil des Kantons am Sparpaket betrage 93 bis 94 Prozent. «Wenn die Regierung zufrieden ist, muss man aufpassen», entgegnete VSGP-Präsident Rolf Huber und hielt trotzig am Rückweisungsantrag fest. Bis auf vier Gefolgsleute Hubers wollte davon niemand etwas wissen.
Kürzungen von Umweltschutz bis Geburtenzulage
Nach dem unbestrittenen Eintreten ging es ans Eingemachte. Wobei der erste Streichungsantrag von SP-Grünen-GLP noch die «symbolische Haltung» betraf: Die Kantonsratsmitglieder sollen mit gutem Beispiel vorangehen und einen Beitrag ans Sparen leisten, indem ihre Autoparkgebühren nicht länger vom Kanton übernommen würden. SVP-Fraktionschef Sascha Schmid nannte es einen «ideologischen Antrag» und setzte den Tenor: Das Anliegen hatte keine Chance.
In der Folge galt dies für alle Streichungsanträge von Linksgrün. Samt und sonders beschloss die Ratsmehrheit alle Sparmassnahmen, von der Ökologie bis zur Geburtenzulage, die St.Gallen bislang als einer der wenigen Kantone noch zusprach. Einzig bei einem Posten wurde das übliche Stimmenverhältnis von etwa 80:20 oder 75:35 aufgebrochen und kam es zu einem hauchdünnen Entscheid: Die Kürzung der Tagespauschale für Behinderte ging auch etlichen Bürgerlichen zu weit.
«Sparen auf dem Buckel der Betroffenen», wie sich Katrin Schulthess (SP) entrüstete, das wollten Luzia Krempl-Gnädinger (Mitte) oder der Rorschacher Stadtpräsident Robert Raths (FDP) nicht. Die Massnahme sei «Sparpolitik mit der Brechstange, unsinnig und unsozial», meinte Raths, sie werde «günstige Heime kaputt sparen». Er erhielt Applaus von der Tribüne, blieb aber in der knappen Minderheit: Der Rat hielt mit 59 zu 57 Stimmen an der Massnahme fest.
Die zweite Ausnahme betraf den Sportunterricht, wo sich mit Andreas Broger und Patrick Dürr (beide Mitte) erstmals zwei Bürgerliche gegen den Abbau einer Lektion an den Kantonsschulen wehrten – vergeblich.
Keine Gnade bei Bildung und Kultur
Einen schweren Nachmittag erlebten die linken Kulturpolitiker und die Bildungspolitikerinnen. Die Ratsmehrheit hielt an allen Kürzungen in der Kultur fest – etwa im Medienbudget der Kantonsbibliothek oder auf den Geschäftsstellen der regionalen Kulturförderorganisationen. Und auch in der Bildung, die mit 35 Prozent die Hauptlast des Entlastungspakets trägt, gab es von bürgerlicher Seite keine Gnade. «Der Abbauhammer schlägt im Bildungsbereich mächtig zu», meinte Susann Hebling (SP). Und ihre Parteigenossin Karin Hasler warnte:
Bei der Bildung zu sparen, ist wie die Axt an der Wurzel anzusetzen.
Das alles hilft nichts, die Bürgerlichen pochten auf den Sparbedarf.
Folglich wird manche Klasse im Kanton grösser, die Zahl der Lektionen schrumpft. Manche Lehrperson erhält weniger Lohnerhöhungen, die Hochschulen erhalten weniger Geld – HSG, PHSG und OST müssen happige Kürzungen hinnehmen. Auch gegen die Erhöhung der Studiengebühren wehrten sich SP, Grüne und GLP. Die Kürzungen führten zu mehr Exklusivität und zu weniger Wertschöpfung:
Exklusivität zieht nicht die Besten an, sondern nur die Reichen.
Die drei bürgerlichen Fraktionen hielten dagegen und sprachen von verhältnismässigen Erhöhungen.
Bildungsdirektorin Bettina Surber wies darauf hin, dass die aktuellen Leistungsaufträge der Hochschulen 2026 auslaufen würden. Ab 2027 seien wie bisher neue, vierjährige Leistungsaufträge geplant. HSG und Ost hätten dann mehr Geld zur Verfügung als heute, aber ja, sie hätten noch mehr zugute. «Das stellt vor allem die Fachhochschule Ost vor grosse Herausforderungen», so Surber.
Kein Teuerungsausgleich fürs Staatspersonal
Schliesslich ging es – Massnahme 48 – um den umstrittenen Teuerungsausgleich fürs Staatspersonal. Trotz fortgeschrittener Stunde hielt Gewerkschaftler Florian Kobler (SP) ein flammendes Statement:
Der Verzicht ist für Tausende Mitarbeitende nichts anderes als ein Reallohn- und Kaufkraftverlust.
Finanzchef Mächler wollte nichts von «tiefen Löhnen» wissen, im Gegenteil: «Unsere Löhne sind marktfähig und wir finden gute Leute.» Wie schmerzhaft der Verzicht sei, hänge von der tatsächlichen Teuerung ab. Die Abstimmung war deutlich: Nur 23 Stimmen wollten den Teuerungsausgleich.
Unter den 50 beschlossenen Massnahmen sind auch jene drei, die Gesetzesanpassungen und eine zweite Lesung brauchen. Es sind dies Nachträge zum Sozialhilfegesetz, zum Personalgesetz und zum Gesundheitsgesetz. Am Mittwoch geht es mit Massnahme 51 weiter, ohne Aufwärmdiskussion wie am Dienstag, als der Rat zuerst über die Schwerpunktplanung 2025-2035 diskutierte, in der es um die strategische Entwicklung des Kantons geht.
Kantonsrat auf strammem Sparkurs – Bürgerliche kennen auch bei Bildung und Kultur keine Gnade