Neues Buch: «Erinnern und Vergessen» in der Ostschweiz | W&O

Region 31.03.2023

Neues Buch: «Erinnern und Vergessen» in der Ostschweiz

Neue Publikation des Historischen Vereins des Kantons bietet Einblicke. Das Werdenberg ist mehrfach vertreten.

Von PD
aktualisiert am 31.03.2023

Der Historische Verein des Kantons St. Gallen gibt mit dem «Neujahrsblatt» seit 1859 jährlich ein Buch heraus, das sich der Geschichte der Region widmet. Im vorliegenden Band steht das Gegensatzpaar «Erinnern und Vergessen» im Zentrum. Es prägt nicht nur die Geschichtsforschung, sondern jeden Menschen – in der digitalen Gegenwart mehr denn je.

Der Aspekt der Überlieferung war es, der zur Themenwahl für dieses reich illustrierte Neujahrsblatt führte. Die Verwaltung und mit ihr die Aktenproduktion wächst seit Längerem an.

Was aber bedeutet es für die Geschichtsschreibung, wenn in Archiven aufgrund der Masse ausschliesslich 5 bis 10 Prozent der produzierten Unterlagen dauerhaft überliefert werden? Und wie prägt die Digitalisierung die Überlieferungsbildung? Gibt es Themen oder auch Dinge, die in Vergessenheit geraten, weil sie den Sprung ins digitale Zeitalter nicht schaffen? 

Aktiv gestaltet, aber auch aktiv verhindert

«Erinnern und Vergessen» prägen die Geschichtsschreibung seit Jahrtausenden. Erinnerung wird aktiv gestaltet und bisweilen ebenso aktiv verhindert. Seit der Antike ist die Praxis der «damnatio memoriae» bekannt, die Tilgung von Namen und Bildern missliebiger oder missliebig gewordener Personen.

Wurden in der Antike Namen von Tafeln ausgemeisselt oder später im Mittelalter mit Messern von Urkunden gekratzt, liessen Herrschaftsträger in der Moderne beispielsweise Fotografien oder Gemälde verändern, um die Erinnerung an Menschen auszulöschen.

Einige der erwähnten sowie weitere Aspekte werden im Neujahrsblatt 2023 behandelt. So widmet sich etwa der Aufsatz von Stefan Gemperli den Herausforderungen moderner Archive, während Nicole Stadelmann und Stefan Sonderegger die Hintergründe von Verlusten von Urkunden im Hoch- und Spätmittelalter veranschaulichen. Die Rate des Nichtüberlieferten beträgt bis zu 95 Prozent.

Max Lemmenmeier beschreibt die Glanzzeit und das allmähliche Verschwinden eines alten Handwerks, der Kürschnerei in St. Gallen. Auch das Erinnern an Verstorbene ist Veränderungen unterworfen. Der Kremation wird heute gegenüber der Erdbestattung der Vorzug gegeben. Daniel Klingenberg zeigt, wie Friedhöfe neue Formen der Nutzung suchen und finden.

Diana Staudacher und Heidi Zeller geben einen Überblick über die noch junge Geschichte der Demenz. Sie machen deutlich, dass sich die Gesellschaft dieser sozialen Aufgabe stellen muss. Weitere Beiträge zur Sammeltätigkeit in Archiven und Bibliotheken des Kantons St. Gallen und zur Nutzung von Schriftgut in Vergangenheit und Gegenwart runden den Thementeil des Neujahrsblatts ab. 

Entstehungsgeschichte des Werdenberger Kulturachivs

Die Regionen Werdenberg und Sarganserland sind im Neujahrsblatt mehrfach vertreten: Jakob Kuratli Hüeblin, stellvertretender Leiter des Stiftsarchivs St. Gallen, geht in seinem Beitrag der Rechtstradition des Klosters Pfäfers nach. Hanna Rauber, Archivarin des Werdenberger Kulturarchivs und Leiterin des Grabser Ortsarchivs, zeigt die Entstehungsgeschichte des Kulturarchivs und gibt Einblicke in die Bestände der Sammlung. Susanne Keller-Giger aus Buchs begleitete das Neujahrsblatt 2023 als Co-Redaktorin. (pd)


Hinweis

Erinnern und vergessen, 163. Neujahrsblatt. Herausgegeben vom Historischen Verein des Kantons St. Gallen, Verlag Format Ost, 38 Franken, erhältlich in jeder Buchhandlung