«Viele denken, sie würden ein Spielzeug fahren»: Unfälle unter Alkoholeinfluss mit E-Scootern häufen sich | W&O

Ostschweiz vor 4 Stunden

«Viele denken, sie würden ein Spielzeug fahren»: Unfälle unter Alkoholeinfluss mit E-Scootern häufen sich

Fahren in alkoholisiertem Zustand ist in den Verkehrsunfallstatistiken von gleich drei Ostschweizer Kantonen einer der Hauptgründe für Unfälle bei Fahrten mit E-Scootern und E-Bikes. Drei Kantonspolizisten äussern sich dazu, wieso ausgerechnet E-Zweiräder zu dieser Art fahrlässigem Verhalten verführen und welche Konsequenzen das haben kann.

Von Valentina Thurnherr
aktualisiert vor 4 Stunden
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E-Scooter boomen in der Schweiz. Besonders in den Städten sind die kleinen Elektrofahrzeuge beliebt. Die praktischen und vor allem schnellen E-Trottinetts bringen mittlerweile aber auch in der Ostschweiz immer mehr Probleme mit sich. Laut Verkehrsunfallstatistiken der Ostschweizer Kantonspolizeien haben sich die Unfälle mit den Scootern seit 2022 praktisch vervierfacht. Als eine der Hauptursachen führen die Kantone St.Gallen, Thurgau und Appenzell Ausserrhoden die Einwirkung von Alkohol an. Auffallend: Auch bei E-Bike-Fahrern ist dies einer der Hauptgründe für Unfälle.

Florian Schneider, stellvertretender Leiter Kommunikation der Kantonspolizei St.Gallen.
Florian Schneider, stellvertretender Leiter Kommunikation der Kantonspolizei St.Gallen.
Bild: Marius Eckert

Im Kanton St.Gallen lag die Zahl der Verunfallten mit E-Trottinetts im 2021 noch bei 10. Ab 2021 verdreifachte sich die Zahl auf 32. Diese Anzahl bleibt in den kommenden Jahren relativ stabil, im 2023 bei 28 und im 2024 bei 27. «Erst einmal muss festgehalten werden, dass E-Trottinetts und auch E-Bikes als Fahrzeugkategorie noch relativ neu sind», sagt Florian Schneider, Mediensprecher der Kantonspolizei St.Gallen. «Bei anderen Verkehrsmitteln wie Töff oder Auto haben die Präventionsarbeiten über die Jahre gefruchtet und die meisten Leute wissen, dass man sich betrunken nicht hinter ein Steuer oder auf ein Motorrad setzt.» Gerade E-Trottinetts könnten jedoch dazu verleiten, diese statt das Auto zu verwenden, wenn man angetrunken ist.

Aber egal welches Gefährt man unter den Füssen hat, betrunken funktioniert es nicht.

Auch im Kanton Thurgau zeigt sich ein ähnliches Verhältnis zu den Jahren 2021 bis 2024. Ab 2022 verdreifachten sich die Unfälle von 4 auf 15 und erreichten im 2023 ihren Höhepunkt mit 21 Unfällen. Im vergangenen Jahr waren es 13. Zu den Gründen, wieso ausgerechnet bei E-Zweirädern eher Alkohol im Spiel ist, kann die Kantonspolizei Thurgau jedoch keine genauen Angaben machen. Diese seien zu individuell.

Anton Sonderegger, Mediensprecher der Kantonspolizei Appenzell Ausserrhoden.
Anton Sonderegger, Mediensprecher der Kantonspolizei Appenzell Ausserrhoden.
Bild: zvg

Im Kanton Appenzell Ausserrhoden gibt es in der offiziellen Verkehrsunfallstatistik noch keine Angaben zu E-Trottinetts. «Unser Kanton ist dafür einfach zu klein und auch wegen der Topografie, eher weniger geeignet für E-Scooter», sagt Anton Sonderegger, Mediensprecher der Kantonspolizei Appenzell Ausserrhoden. Ein paar wenige Unfälle hätten sie im vergangenen Jahr registriert, aber das seien viel zu wenige, als dass sie für eine Statistik aussagekräftig wären. Bei den E-Bikes hingegen gibt es Zahlen. So waren es im vergangenen Jahr 10 Unfälle und auch hier war eine der Hauptursachen die Einwirkung von Alkohol.

Führerausweisverlust als Folge

Was vermutlich viele unterschätzen oder schlicht nicht wissen: Wer mit dem E-Trottinett betrunken fährt, muss unter Umständen den Führerschein abgeben. «Bei motorlosen Fahrzeugen sowie E-Bikes oder E-Trottinetts gelten dieselben Alkoholgrenzen wie beim Auto», sagt Schneider. In aller Regel erfolge jedoch keine Abnahme des Ausweises auf der Stelle. «Das wird erst später mittels Administrativmassnahme beim Strassenverkehrsamt entschieden.» Sei jemand sehr stark alkoholisiert, werden durch die Polizei grundsätzliche Massnahmen ergriffen, die betreffende Person aus dem Verkehr zu ziehen, um eine Gefährdung zu verhindern. «Dies erfolgt zum Beispiel durch ein Aussprechen eines Fahrverbots bis sagen wir 7 Uhr morgens.» Verstosse die Person dagegen, kann sie zusätzlich zur Anzeige gebracht werden oder in diesem besonderen Fall sogar ein sofortiger Entzug des Führerausweises zur Folge haben.

Anton Sonderegger von der Kantonspolizei Ausserrhoden äussert sich ebenfalls sehr deutlich:

E-Trottinetts sind grundsätzlich den Autofahrern gleichgestellt. Wenn also jemand verunfallt und unter Alkoholeinfluss steht, kann das Strassenverkehrsamt eine Fahreignungsabklärung durchführen.

Je nachdem, was für Werte jemand an den Tag lege, könne so auch festgestellt werden, ob die betreffende Person gar ein Alkohol- oder Drogenproblem hat. «Dies hat dann einen Führerausweisentzug zur Folge.»

Helmpflicht ja oder nein?

Eine weitere Auffälligkeit bei den E-Scootern ist, dass keine der Personen, die in den Kantonen St.Gallen und Thurgau verunfallt ist, einen Helm trug. Und während sich im Kanton St.Gallen die meisten E-Bike-Fahrer mit einem Helm schützten, waren es im Kanton Thurgau nur rund die Hälfte der Verunfallten. Dies wirft die Frage auf, ob nicht für alle E-Zweiräder eine allgemeine Helmpflicht eingeführt werden sollte. Zurzeit gilt in der Schweiz nur für die E-Bikes bis 45km/h eine. «Im Kanton St.Gallen hat sich die Helm-Thematik bei den E-Bikes etwas gebessert», sagt Florian Schneider. «Bei den E-Trottinetts ist sie jedoch gar kein Thema.» Ihm  komme es so vor, als denken die Leute, sie würden ein Spielzeug fahren, obwohl es sich in Wahrheit um ein kleines Elektromofa handle. «Es wäre wesentlich gesünder und empfehlenswert, einen Helm anzuziehen.»

Robin Bernhardsgrütter, Mediensprecher der Kantonspolizei Thurgau.
Robin Bernhardsgrütter, Mediensprecher der Kantonspolizei Thurgau.
Bild: Markus Bauer

Auch Robin Bernhardsgrütter, Mediensprecher der Kantonspolizei Thurgau, weist auf die fehlende Helmpflicht hin. «Die Zuständigkeit liegt bei der Politik», sagt er. «Wir begrüssen jedoch alle Massnahmen, welche zur Verkehrssicherheit beitragen, und empfehlen in jedem Fall bei E-Bikes und E-Scootern, einen Helm zu tragen.»

Unfalltendenz für das laufende Jahr

Auch im 2025 sieht es nicht so aus, als würden die E-Trottinett-Unfälle weniger werden. «Im Moment haben wir noch nicht die gleiche Auswertung, die der jährlichen Verkehrsunfallstatistik zugrunde liegt, wir stehen jedoch bereits jetzt bei zehn Unfällen mit E-Scootern», sagt Florian Schneider.

Die Zahlen dürften sich also bis Ende Jahr in einem ähnlichen Rahmen wie im 2024 bewegen.

Auch im Thurgau dürften die Zahlen von 2025 stabil bleiben. «Bis dato haben wir sieben Verkehrsunfälle mit involvierten E-Scootern registriert», sagt Robin Bernhardsgrütter. Als Unfallursache gibt er in drei Fällen mangelnde Aufmerksamkeit und in einem Fall nicht gewährter Vortritt an. Die restlichen drei Unfälle waren Selbstunfälle – durch fahrunfähigen Zustand oder Einwirkung von Alkohol.