Als pensionierter und bürgerlich denkender Hauseigentümer müsste ich eigentlich gleich dreifach für die Abschaffung dieser offenbar unhaltbaren Eigenmietwertbesteuerung eintreten. Ich muss aber zugeben, dass bei mir keine Begeisterung für diese Vorlage aufkommen will. Denn so grottenschlecht und ungerecht ist das heutige System nämlich nicht, wie das jetzt dargelegt wird.
Dass die Besteuerung nicht willkürlich ist, soll folgendes Beispiel erläutern. Jemand bewirbt sich bei zwei Arbeitgebern um eine Stelle. Der eine offeriert 8000 Franken Monatslohn, der andere will 6000 Franken zahlen, übernimmt aber dafür die Miete des Arbeitnehmers von 2000 Franken zu seinen Lasten.
Es leuchtet wohl ein, dass beide Angebote etwa gleichwertig sind. Dass beide 8000 Franken Einkommen versteuern müssen, ist nur logisch und gerecht, denn auch eine Gratiswohnung ist Einkommen.
Man wird mir nun zu Recht entgegnen, dass im Gegensatz zu diesem Fall ein Eigenheim ja nicht gratis ist, sondern auch kostet, nämlich Hypothekarzinsen, Unterhalt und Reparaturen. Ja, und genau deshalb kann man mit dem heutigen System diese Kosten fein säuberlich steuerlich absetzen. Per Saldo geht das langfristig in etwa auf.
Der Eigenmietwert wird nach meiner eigenen Erfahrung von den Schätzern sehr massvoll und nicht überrissen festgesetzt. Zudem darf dieser Wert in der Steuererklärung nochmals um 30 Prozent reduziert werden, um den steuerbaren Eigenmietwert zu erhalten. Für Rentner gälte es allenfalls noch zu prüfen, ob im Einzelfall eine sogenannte Unternutzung beantragt werden könnte.
Ich kann mir nicht vorstellen, dass Rentner – wie jetzt behauptet wird – reihenweise ihre Häuser verkaufen müssen, nur wegen dem Eigenmietwert. Und dass für viele junge Familien der Traum vom Eigenheim ein Traum bleibt und bleiben wird, liegt nicht am Eigenmietwert.
Man kann Ja sagen zur Vorlage, weil bei der Steuererklärung die Abzüge nicht mehr mühsam zusammengesucht werden müssen, und weil alle Hauseigentümer nicht mehr individuell, sondern pauschal gleichbehandelt werden sollen, unabhängig von aktuellen Unterhalts- und Zinskosten.
Oder man kann Nein sagen, weil das jetzige System dem konkreten Einzelfall besser Rechnung trägt. Diese Sachfrage kann man nüchtern betrachten und entscheiden. Reisserische Schlagworte braucht es dazu nicht.
Josef Dudli,
Bogenstrasse 3, 9470 Werdenberg
Zwischen Dichtung und Wahrheit