Fragwürdige Schuldzuweisung | W&O

Schweiz vor 12 Stunden

Fragwürdige Schuldzuweisung

Peter Sutter stört sich an einer plakativen Aussage in einem Artikel über Gewalt gegen Frauen.

Von Peter Sutter
aktualisiert vor 12 Stunden
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«Gewalt gegen Frauen – Täter sind meistens Ausländer», Ausgabe vom 14. November

«Täter sind meistens Ausländer» – so der Titel eines Artikels zum Thema Femizide im W&O vom 14. November. Liest man aber den Artikel etwas genauer, dann relativiert sich diese plakative Aussage weitgehend. Zunächst fällt auf, dass im ganzen Artikel ausschliesslich von «Tatverdächtigen» und «mutmasslichen» Tätern die Rede ist und nicht von tatsächlich Verurteilten. Warum werden nicht die Statistiken der tatsächlich Verurteilten herangezogen? Das Bild wäre dann vermutlich ein anderes, denn es ist allgemein bekannt, dass Ausländer aufgrund ihrer Herkunft oder ihres Aussehens häufiger einer Straftat verdächtigt werden als Einheimische.

Beim absolut brutalsten Femizid innerhalb der vergangenen zwei Jahre war der Täter nicht ein Ausländer. Es war ein 41-jähriger Schweizer, der seine 38-jährige, aus Serbien stammende Frau, nachdem er sie getötet hatte, mit einer Stichsäge in ihre Einzelteile zerlegte und diese in eine chemische Lösung warf, um sie aufzulösen, den Kopf steckte er in den Kehrichtkübel. Die Tat wurde damit erklärt, dass es sich um einen Psychopathen handle. Wäre der Täter ein Ausländer gewesen und das Opfer eine Schweizerin, hätte man höchstwahrscheinlich die Herkunft des Täters als Grund für seine Tat genannt.

Bezeichnend ist auch, dass der Begriff «Ausländerkriminalität» gang und gäbe ist, wenn ein Straftäter ein Ausländer ist. Ist der Täter aber ein Schweizer, spricht niemand von «Inländerkriminalität». Und dies, obwohl laut NZZ vom 20. August 2025 in der Schweiz mit durchschnittlich drei Femiziden pro Monat der Anteil getöteter Frauen an allen Opfern weit höher ist als in anderen Ländern.

Im Artikel wird auch erwähnt, dass der Bund eine neue Kampagne gegen Gewalt an Frauen lanciert habe. Diese Kampagne wird neben den Landessprachen auch auf Englisch, Spanisch, Portugiesisch und Albanisch verbreitet. Dies, so ist zu lesen, sei «auch ein Zeichen». Ein Zeichen wofür? Wahrscheinlich dafür, so muss man schliessen, dass von Männern dieser Nationalitäten besonders viele Femizide begangen würden. Die Statistik aber spricht eine andere Sprache. So gibt es zum Beispiel in Portugal bei zehn Millionen Einwohnern pro Halbjahr etwa zehn Femizide, in der Schweiz sind es bei neun Millionen Einwohnern etwa 18. Auch wenn ein Teil davon von Ausländern begangen wird, ist der Anteil Einheimischer an der Gesamtzahl immer noch höher als in anderen Ländern. Aber es ist eben einfacher, mit den Fingern auf andere zu zeigen, statt sich selber bei der Nase zu nehmen.

Peter Sutter, Wiedenstrasse 32, 9470 Buchs