Wir essen Filet, Entrecôte, Steak und Koteletts. Der Rest landet selten auf dem Teller. Hier setzt der Nose-to-Tail-Trend an: Ein geschlachtetes Tier soll möglichst vollständig verwertet werden – von der Schnauze bis zum Schwanz eben. Herz, Leber, Zunge, Knochen, alles soll genutzt werden. Das ist nicht nur eine Frage des Respekts gegenüber dem Tier, sondern auch ein Versuch, die Fleischproduktion nachhaltiger zu gestalten.
Zwischen 2015 und 2018 war «Nose-to-Tail» in aller Munde. In der Gastronomie wurde experimentiert, Kochbücher widmeten sich plötzlich wieder Innereien, die Medien berichteten. Die Bewegung passte in eine Zeit, in der Food Waste zum gesellschaftlichen Thema wurde und immer mehr Menschen begannen, ihren Konsum zu hinterfragen.
Die Idee hat durchaus Potenzial: Wenn mehr Teile eines Tiers verwertet werden, sinkt der Anteil an Abfall und im Idealfall werden weniger Tiere geschlachtet. Das spart Ressourcen und senkt Emissionen. Zumal die Schweiz nach wie vor viel Fleisch konsumiert: Laut Bundesamt für Statistik lag der durchschnittliche Pro-Kopf-Verbrauch 2023 bei rund 46 Kilogramm – das sind fast 900 Gramm pro Woche. Die Schweizerische Gesellschaft für Ernährung (SGE) empfiehlt einen wöchentlichen Fleischkonsum von 200 bis 360 Gramm.
Es bleibt beim Schnitzel
Doch was ist von dem Trend übrig geblieben? Wir haben bei den grossen Detailhändlern und Fleischproduzenten anlässlich der im Herbst anstehenden Metzgete nachgefragt – und die Antworten fallen nüchtern aus.
Auf Anfrage heisst es bei der Migros:
Die Nachfrage nach Blutwürsten, Herz, Nieren und anderen Innereien ist rückläufig.
Und man gehe davon aus, dass das Interesse weiter abnehmen werde. Bei Coop sind die Zahlen zwar stabiler, doch auch hier spricht man von einem klaren Nischenmarkt. Bell Food Group, einer der grössten Fleisch-Verarbeiter der Schweiz, formuliert es etwas diplomatischer:
Unsere Spezialitäten im Bereich Nose-to-Tail werden von einer Minderheit der Konsumentinnen und Konsumenten sehr geschätzt.
Mit anderen Worten: Es gibt Fans – aber wenige. Für Konsumentinnen und Konsumenten bedeutet das auch: Wer Nose-to-Tail leben will, muss aktiv danach suchen.
In der Spitzengastronomie und bei einigen bewussten Konsumentinnen und Konsumenten mag er weiterhin eine Rolle spielen. Doch im Supermarktregal und beim durchschnittlichen Wocheneinkauf greift die breite Masse lieber zum gewohnten Schnitzel als zur Kalbszunge. Wer die Nachhaltigkeit leben will, braucht mehr als Rezepte: nämlich Neugier, Wissen und den Mut, anders zu essen.
Was passiert denn also in der Realität mit den übrigen Teilen eines geschlachteten Tiers? Der Grossteil wird zu Haustierfutter verarbeitet oder der Biogasanlage zugeführt.
Nose-to-Tail: Hat der Trend einen Einfluss auf die Metzgete?