Ukraine-Flüchtlinge in der Region: Der Wohnraum ist das grösste Problem | W&O

22.06.2022

Ukraine-Flüchtlinge in der Region: Der Wohnraum ist das grösste Problem

Die Folgen des Ukraine-Krieges mit zahlreichen Flüchtlingen fordert die lokalen Sozialämter.

Von Robert Kucera
aktualisiert am 28.02.2023
Den Sozialämtern des Bezirks Werdenberg geht die Arbeit derzeit nicht aus. Die Zuteilung der Flüchtlinge aus der Ukraine stellt eine Herausforderung dar. Im Brennpunkt steht der vorhandene, respektive nicht vorhandene Wohnraum. Dazu kommen die Fragen des Alltags und die Betreuung der Menschen, die sich im fremden Land erst mal zurechtfinden müssen.

Eine grosse Herausforderung für die Sozialämter

Hört man sich die Lage-Einschätzungen der Sozialämter in der Region an, klingt vieles gleich. «Es sind sehr lange Arbeitstage», hält Elisa Langs fest. Die Leiterin Sozialamt Wartau berichtet aus ihrer Gemeinde, dass man am Anschlag sei. «Wir sind ausgelastet, aber nicht überlastet», äussert sich Daniel Spirig, Leiter Sozialamt Gams und ergänzt:
Wir laufen nicht auf dem Zahnfleisch. Aber die Situation stellt eine grosse Herausforderung dar.
Dass die aktuelle Lage fordernd sei und nur dank zusätzlichem Einsatz verschiedener Amtsstellen zu bewältigen ist, meldet die Gemeinde Sevelen. Entspannter sind die Aussagen aus der Stadt Buchs. Sozialamt-Leiter Hans Schlegel berichtet von einer guten Situation. Zugute kommen den Buchser Behörden zahlreiche helfende Hände in der Stadt.
 Die Betreuung der ukrainischen Familien sind für die Sozialämter eine grosse Herausforderung.
Die Betreuung der ukrainischen Familien sind für die Sozialämter eine grosse Herausforderung.
Bild: Archiv
Ich bin begeistert von den Privaten, welche die ukrainischen Flüchtlinge aufgenommen haben und auch langfristig aufnehmen wollen.
Der Buchser Sozialamt-Leiter spricht damit das grösste Problem für die Ämter an: Wohnraum für die ukrainischen Flüchtlinge zu finden und herzurichten. 79 von 103 Flüchtlingen sind in Buchs privat untergebracht. Zudem weist man aktuell noch genügend Altliegenschaften auf, um künftigen der Stadt zugewiesenen Flüchtlingen ein Dach über dem Kopf zu geben. «In der Wohnungssuche bleiben wir gefordert», sagt Schlegel.

Die Gemeinde Gams ist stets auf der Hut

Das Soll erfüllt hat bislang Gams. Daniel Spirig hält sogar fest, dass man leicht darüber sei. Zwar gibt der Wohnungsmarkt in Gams gemäss dem Sozialamt-Leiter «nicht viel her». Doch da man frühzeitig die Auswirkungen der Krise erkannt habe, konnte man agieren statt nur reagieren. So war man stets einen Schritt voraus.
Wir sind immer auf der Suche nach noch mehr Wohnraum.
Eine unerwartete Zuteilung von Flüchtlingen an die Gemeinde Gams fand bislang nie statt. «Sobald wir wieder über Kapazität verfügten, haben wir dies dem Kanton mitgeteilt», sagt Spirig. So hatte man weitaus weniger Stresssituationen als anderswo.
 Immer mehr in der Schweiz zu sehen: Ukrainische Flaggen.
Immer mehr in der Schweiz zu sehen: Ukrainische Flaggen.
Bild: Peter Klaunzer/Keystone
Mit ein Grund dafür sei, dass man in Gams personell gut aufgestellt ist.

In Wartau wird der Wohnraum langsam knapp

Auf dem Sozialamt Wartau wartet man dagegen noch auf Verstärkung des Teams. Wie Leiterin Elisa Langs sagt, wird auch der Wohnraum knapp. Sie fühlt sich vom Kanton etwas im Stich gelassen:
Man weist uns Leute zu – wir dürfen dann selber schauen und weiter machen.
Nimmt der Kanton eine Zuteilung an eine Gemeinde vor, kommen die ukrainischen Flüchtlinge nach zwei Tagen an. Innert 48 Stunden ist dann die Wohnung zu möblieren, sind Verträge abzuschliessen etc. Falls man überhaupt über Wohnraum in der Gemeinde verfügt. Ansonsten steigt der Stress-Level, auf die Ankunft der Flüchtlinge vorbereitet zu sein, ins Unermessliche an. «Es mangelt an bezahlbarem Wohnraum, der sofort verfügbar ist», teilt die Gemeinde Sevelen zu diesem Thema mit. Der administrative Aufwand der Wohnungssuche wird als gross bezeichnet. Die aktuellen Vorlaufzeiten der Zuteilung, so heisst es weiter, «sind sehr fordernd».

Grosser Wille, die deutsche Sprache zu lernen

In einem sicheren Land ein Dach über den Kopf zu haben ist für die ukrainischen Flüchtlingen ein wichtiger erster Schritt. Doch dann wartet mit dem Alltag in der Schweiz die nächste Herausforderung – sowohl für die Sozialämter als auch für die Flüchtlinge.
 Zerstörtes Gebiet in der ukrainischen Stadt Lyubotyn.
Zerstörtes Gebiet in der ukrainischen Stadt Lyubotyn.
Bild: Sergey Kozlov/EPA
«Sie brauchen intensive Unterstützung», weiss Daniel Spirig, Leiter Sozialamt Gams, zu berichten. Kommen die Flüchtlinge in der Gemeinde an, weisen sie noch keine Deutschkenntnisse auf und mit den Gepflogenheiten des Alltags in der Schweiz sind sie nicht vertraut.
Man muss ihnen alles erst beibringen. Dies beginnt bei den simpelsten Sachen wie zum Beispiel Mülltrennung.
Elisa Langs, Leiterin Sozialamt Wartau, hat diesbezüglich gute Erfahrungen gemacht: «Die Flüchtlinge sind sehr gewillt, sich in der Schweiz einzugliedern. Sie wollen so schnell wie möglich einen Deutschkurs besuchen.» Denn so kommen die Ukrainerinnen und Ukrainer ihrem Ziel, eine Arbeitsstelle zu erhalten, näher.

Buchs ist begeistert von den Privaten

Wie Hans Schlegel, Leiter Sozialamt Buchs, beobachtet hat, nehmen nun die Besuche der Flüchtlinge auf dem Amt zu. Denn vom Gedanken des Kurzaufenthalts, bis die Krise vorbei ist, müsse man sich mehr und mehr verabschieden. «Mittlerweile herrscht Gewissheit bei den Ukrainerinnen und Ukrainern, dass sie über längere Zeit in der Schweiz bleiben. Also wird langfristig gedacht mit dem Erlernen der Sprache, um dann mit den vorhandenen Diplomen aus der Heimat eine Arbeitsstelle zu finden», erklärt Schlegel und ergänzt:
Je länger die Krise dauert, umso mehr Fragen tauchen auf.
Diese sind vielfältig und reichen von der Möglichkeit, arbeiten zu gehen, bis hin zum Ablaufdatum des Schutzstatus S in der Schweiz.

Dolmetscherinnen und App auf dem Smartphone in Gams

Die Sprachbarriere kommt als Hindernis in der Betreuung der Flüchtlinge noch dazu. Dann ist es gut, wie im Fall der Stadt Buchs, dass man auf freiwillige Helferinnen zählen darf, die russisch können. «Eine Riesenerleichterung für alle», sagt Schlegel. «Man denke nur an Arztbesuche.» Wie Schlegel erläutert, haben sich gleich bei Ausbruch der Krise drei russischsprachige Personen freiwillig bei der Stadt gemeldet, um den Flüchtlingen auf diese Weise zu helfen. «Das ist sehr viel wert. Die Dankbarkeit der Ukrainerinnen und Ukrainern ist gross», hält Schlegel fest. Auch das Sozialamt Gams greift hin und wieder bei komplexen Sachverhalten auf Dolmetscher zurück. Doch meist löst man die Sprachbarriere mit der Technik, wie Daniel Spirig ausführt: «Wir halten Sitzungen mit dem Smartphone ab. Die Sprachübersetzung erfolgt mit einer App.»