«Wo sind die Fachkräfte?»: Gastronomen berichten über ihre Erfahrungen | W&O

03.11.2022

«Wo sind die Fachkräfte?»: Gastronomen berichten über ihre Erfahrungen

Die «Tourismusplattform Toggenburg» diskutierte den Umgang mit dem Fachkräftemangel.

Von Sascha Erni
aktualisiert am 28.02.2023
Die «Tourismusplattform Toggenburg» in der Propstei Alt St. Johann fand am vergangenen Donnerstag zum ersten Mal als öffentliche Ver­anstaltung statt. Zuvor war das jährliche Forum von Toggenburg Tourismus dem Fachpublikum vorbehalten. Die Öffnung zeigte, wie zentral das Thema Fachkräftemangel für alle Branchen ist – neben Touristikunternehmen fanden sich unter den gut 40 Teilnehmenden auch Handwerksbetriebe, Stiftungen und Handelsunternehmen.

Viele offene Stellen in der Hotellerie

Um die Gespräche zwischen den unterschiedlichen Teilnehmenden anzustossen, lud Toggenburg Tourismus Christian Zinn ein. Er leitet seit 2020 das Hotel Schweizerhof in Lenzerheide. Zurzeit gäbe es auch in der Hotellerie viele offene Stellen zu besetzen, aber nur einen klei­nen Pool geeigneter Fachkräfte. «Wohin sind die Fachkräfte verschwunden?», fragte er in seinem Input-Referat.
 Christian Zinn, Direktor des Hotels Schweizerhof in Lenzerheide, hielt das Input-Referat an der Tourismusplattform 2022.
Christian Zinn, Direktor des Hotels Schweizerhof in Lenzerheide, hielt das Input-Referat an der Tourismusplattform 2022.
Bild: Sascha Erni
Eine Antwort lieferte er indirekt gleich selbst: «Wir müssen uns bewusst sein, wir können nicht gegen neue Arbeitsgewohnheiten ankämpfen.»

Sinnloser Kampf zwischen den Generationen

Es habe immer noch genug junge Menschen auf dem Ar­beitsmarkt. Aber die heutigen Fachkräfte hätten andere Ansprüche als noch seine Gene­ration oder diejenige der Ba­byboomer, so der 40-Jährige. Damit würden die üblichen Arbeitsverhältnisse in Gastro und Hotellerie unattraktiv. Als Arbeitgeber habe man also die Wahl: Entweder wettere man gegen diese junge Generation mit ihren Wünschen nach Teilzeitarbeit, Vier-Tage-Woche, Kinderbetreuung und so weiter.
Oder aber man wandelt sich selbst und lernt diese Generation zu verstehen.
Natürlich müsse man auch Grenzen setzen, damit die Qualität gehalten werden könne. Aber blosser Widerstand sei nicht zielführend, sagte Christian Zinn.

Mosliger Vier-Tage-Woche ist ein Erfolg

Selbst bietet der «Schweizerhof» keine Vier-Tage-Schichten an. Ein anderer Gast von Toggenburg Tourismus hingegen schon: Philipp Schneider, Geschäftsführer der «Krone» in Mosnang, stand als Gesprächspartner für eine Diskussionsrunde zur Verfügung.
 Philipp Schneider, Pascal Moser und Christian Gressbach standen für Kurz-Workshops zur Verfügung. (vlnr)
Philipp Schneider, Pascal Moser und Christian Gressbach standen für Kurz-Workshops zur Verfügung. (vlnr)
Bild: Sascha Erni
Die «Krone» lässt seit dreieinhalb Jahren den Angestellten die Wahl, ob sie statt einer gewohnten Arbeitswoche nicht lieber vier Tage à 10,5 Stunden arbeiten und drei Tage frei haben möchten.
Ich sage immer, bei uns im Toggenburg und in unserem Gasthaus ist das möglich. Vielleicht nicht überall sonst, aber hier.
Er habe mit den Mitarbeitenden einen Weg finden wollen, die Attraktivität seines Betriebs zu halten, erzählte Schneider. Wie könnte man Hektik und Stress fürs Personal reduzieren, und gleichzeitig hohe Qualität gewährleisten?

Konzept bei Mitarbeitenden angekommen

Gemeinsam mit den Mitarbeitenden habe er dann Aufgaben gesammelt, die sich mit einer längeren Tagesarbeitszeit besser erledigen lassen könnten. «Dinge, die man sonst husch-husch nebenbei macht.» Die «Krone» sei damals gerade mit einer modernen Küche ausgestattet worden und man habe ein neues Gästehaus eröffnet. Das mache das Experiment wahrscheinlich nicht repräsentativ für einen Grossteil ande­rer Gasthäuser, erklärte Philipp Schneider. Besonders die Küche habe die Möglichkeit eröffnet, Vorarbeiten während des Nachmittags zu leisten. Er habe die Vier-Tage-Woche eigentlich zuerst zwei Monate testen wollen. Jedoch:
Bereits nach zwei Wochen sagten alle, die das Modell ausprobierten, ich soll schon mal bis Ende Jahr durchplanen.

Anfängliche Skepsis hat sich nicht bewahrheitet

Auch aus Geschäftsleitersicht habe sich das Experiment gelohnt, führte Schneider aus. Sein Gasthaus habe die Qualität nicht nur halten, sondern verbessern können. Sie könnten jetzt durchgehend warme Küche anbieten, der Personalbestand sei stabil geblieben. Nicht zuletzt habe sich die Vier-Tage-Woche als kostenneutral herausgestellt. «Mein Vater war während der Planungsphase sehr skeptisch», sagte Schneider zum Schluss, und nahm damit direkten Bezug zu Christian Zinns Ausführungen über Unterschiede zwischen den Generationen. Dann lachte Schneider. «Jetzt sagt er, das hätten wir schon viel früher machen müssen.»