Betr. «Meister der hohen Töne», Ausgabe vom 19. Mai
Dass es der österreichische ESC-Gewinner – «Meister der hohen Töne» – auf die Titelseite unserer Regionalzeitung geschafft hat, ist nachvollziehbar. Dass man aber Nemo, Meister der schrillen (politischen) Töne, mitabgebildet hat, ist unsäglich. Immerhin hat er – als selbst ernannter Hüter der Moral – zum Israelboykott aufgerufen. Auch generell masst er sich sehr viel an, der Werbesinger für Zalando. Er sieht sich gewissermassen als Robin Hood der Vielfalt und Offenheit. Dabei ist dieser Diskurs schon längst im Mainstream angekommen und wird andernorts nicht so durchkommerzialisiert.
Kontrast gefällig? Während meines längerem Sprachaufenthalts in London 1975 besuchte ich im King’s Road Theatre, Chelsea, die längst legendär gewordene «Rocky Horror Show». Ein Event, der nicht nur in England schnell Kultstatus erlangte und der auch mich stark berührte. Natürlich änderte ich meine Grundhaltung trotzdem nicht radikal.
Die Show war ein Ventil für Themen, die viele junge Menschen sehr beschäftigten, aber in der Öffentlichkeit noch tabuisiert waren. Sie stellte damals schon Genderrollen provokativ infrage und zeigte Lust am Leben jenseits binärer Normen. Legendär war auch der Hauptdarsteller Frank-N-Furter als schillernder selbstbewusster «Sweet Transvestite from Transsexual Transylvania», Ikone der sexuellen Freiheit. Er und das äusserst lebendige Team zelebrierten das damals noch umstrittenere Thema mit Urwüchsigkeit, Kraft, Stil, Witz und unglaublich fetziger Musik.
Dagegen wirken die «gestrählten» Darbietungen von Nemo – sorry – austauschbar und eben nicht authentisch. Nebenbei: Schön dass der israelische Beitrag überaus erfolgreich war; trotz Nemo-Kanzelpredigt.
Gallus Erne, Kerbelstrasse 20, 9470 Buchs
Austauschbar und nicht authentisch